Peking - Der Zeitpunkt des Beginns der chinesischen Prozesse zu den blutigen Juli-Unruhen in der nominell autonomen Nordwestregion Xinjiang ist noch ungewiss. Einen Bericht der in englischer Sprache erscheinenden Tageszeitung "China Daily" vom Vortag, dass erste Gerichtsverfahren wegen Mordes, Brandstiftung und anderer Verbrechen schon diese Woche erwartet werden, wollten die Behörden in der Regionalhauptstadt Urumqi nicht bestätigen. "Wir wissen nicht, wo diese Information herkommt", sagte ein Sprecher des zuständigen Amtes für Außenbeziehungen. "Wir sind über die Prozesse noch nicht informiert worden." Nach Angaben von "China Daily" sollen mehr als 200 Festgenommene vor Gericht gestellt werden.
Eineinhalb Monate nach den blutigen Unruhen in der nominell autonomen Nordwestregion Xinjiang hat die chinesische Polizei nach Angaben staatlicher Medien vom Freitag mehr als 3.100 Beweisstücke zusammengetragen. Diese sollen in die Prozesse wegen Mordes, Brandstiftung und anderer Verbrechen einfließen, die nach den Unruhen vom 5. Juli angestrengt wurden. Bei den Ausschreitungen zwischen muslimischen Uiguren und Han-Chinesen in der Regionalhauptstadt Urumqi wurden nach amtlichen Angaben 197 Menschen getötet, rund 1.700 weitere wurden verletzt.
Unter den 3.138 Beweisstücken waren physische Objekte wie etwa Ziegelsteine, an denen sich Blutspuren fanden, aber auch 2.169 Fotos und 91 Videoaufnahmen, wie die in englischer Sprache erscheinende staatliche Zeitung "China Daily" am Freitag berichtete. Im Zusammenhang mit den Unruhen wurden nach Angaben des Blattes 718 Menschen zeitweise festgenommen, gegen 83 seien Haftbefehle verhängt worden.
Unruhen nach Demos
Ihren Ausgang nahmen die schweren Unruhen nach Demonstrationen gegen den Tod von uigurischen Fabrikarbeitern bei einer Auseinandersetzung mit Han-Chinesen in Shaoguan Ende Juni. Der zunächst friedlich verlaufene Protest schlug Anfang Juli in Gewalt um, als die Polizei die Protestversammlungen auflösen wollte. Auch Han-Chinesen gingen auf die Straße und griffen Uiguren an. Militante uigurische Gruppen kämpfen im Untergrund für einen unabhängigen Staat "Ostturkestan", wie er in den 1940er-Jahren kurzzeitig existiert hatte.
Xinjiang (chinesisch: "Neue Grenze") wurde im 18. Jahrhundert von den Mandschu-Kaisern erobert und erst 1884 dem chinesischen Reich staatsrechtlich einverleibt. Die Region ist für Peking von großer strategischer Bedeutung und reich an Bodenschätzen. 1955 wurde von den Kommunisten die "Autonome Region Xinjiang" errichtet. In Lop Nor entstand Chinas Atomtestgelände. Die Ansiedlung von Han-Chinesen wurde in großem Maßstab vorangetrieben. Seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten erstarken panislamische und irredentistische Strömungen, wie die kommunistischen Behörden offen zugeben. (APA/AP)