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Verführerinnen und Furien: Armida (Annette Dasch, li.) und Zelmira (Mojca Erdmann).

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Salzburg - Er kann sich nicht und nicht entscheiden zwischen Krieg und Liebe, zwischen dem Lager des Heeres und jenem der Geliebten. Und sobald Rinaldo entschied, Armida zu verlassen und seinen kämpferischen Pflichten Folge zu leisten, wankt er bereits wieder.

Ein anonymer Librettist hat diese ambivalente Situation in Anlehnung an Das befreite Jerusalem von Torquato Tasso anschaulich verbildlicht: Rinaldo treibt es zwar zurück in den Krieg, zugleich ist er aber außerstande, auch die Myrte, die für seine Liebe steht, zu fällen.

Drei Akte lang wird der Soldat in diesem Konflikt aufgerieben, den Haydns Armida unaufhörlich vor sich herwälzt. Das alte Motiv der Liebe zwischen feindlichen Lagern, hier zwischen Christenheer und dem belagerten Damaskus, ist das Movens von Haydns erfolgreichster Oper. Im Grunde geschieht gar nichts: Das Drama beginnt und endet mit der Trennung der Liebenden, wirkt wie ein einziger retardierender Moment des Abschieds.

Die Salzburger Inszenierung begegnet dieser Statik mit einer Anordnung, die die miteinander widerstreitenden Prinzipien sichtbar macht. Im Bühnenbild von Dirk Becker befindet sich links die Welt des Krieges, eine steil aufsteigende Fläche, hinter der nur der Absturz lauern kann. Rechts steht ein massiver Quader - Treffpunkt der Liebenden und Symbol der Myrte. In der Bühnenmitte gibt es ein rätselhaftes Dazwischen, das ebenso zum Zauberwald Armidas werden kann wie zum spießigen Wohnzimmer, in dem sich Rinaldo verschanzt, um der Magie seiner Freundin zu entgehen.

"Es ist immer Krieg", lautet die Botschaft, die Regisseur Christof Loy und Team in der wiederaufgenommenen Vorjahres-Produktion vermitteln wollen. In der Felsenreitschule berufen sie sich auf Ingeborg Bachmann, die den Krieg ins Subjekt hineinprojizierte.

Hier, im Individuum, nach außen hin zuweilen nur erahnbar, findet der Kampf zwischen Neigung und Pflicht statt. So passte es durchaus in die Dramaturgie, dass Michael Schade als Rinaldo bei der Premiere am Donnerstag ein wenig verhalten begann, sich dann gleichsam in das Dilemma des Helden verbohrte und - nicht ganz so strahlend wie gewohnt - ein plastisches Bild der Zerrissenheit zeichnete.

Auch Annette Dasch, die gefeierte Darstellerin der Titelfigur, bewies erneut Mut zur Dramatik, verkörperte Wildheit und Leidenschaft, Verletzlichkeit und Wärme. Freilich stellte sich die Frage, ob jene Schrillheit, die sich besonders an den Rändern ihres Stimmumfangs abzeichnete, immer dem Ausdruck geschuldet war, oder ob nicht doch die Stimme selbst manchmal gefährdet war.

Eine gewisse Zweischneidigkeit ist aber auch in den Rollen selbst angelegt: Ein ähnliches Doppelgesicht zwischen Verführerin und Furie besitzt auch der Part der Zelmira, den Mojca Erdmann mit betörender Helligkeit und makelloser Wendigkeit anlegte.

Die größte Dynamik lag aber beim Mozarteumorchester Salzburg. Mit Ivor Bolton am Dirigentenpult und Cembalo ließ es den Repräsentationstonfall der Opera seria mit distanzierter Pracht, mitunter gebrochen, erklingen. (Daniel Ender, DER STANDARD/Printausgabe, 22./23.08.2009)