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Erwin Steinhauer als Prof.

APA-FOTO: DIETMAR STIPLOVSEK

Bregenz - Chronikbericht im Berliner Tageblatt am 21. 12. 1903: Früherer Hochschulprofessor und junge Gattin, vor der Heirat Chansonette, wegen Kuppelei und Betrugs verhaftet. Heinrich Mann liest den Artikel im Kaffeehaus: "... in meinem Kopf lief der Roman ab", wird er später die Entstehung von Professor Unrat schildern.

1904 erschien der Roman über den tyrannischen Gymnasiallehrer und Menschenhasser Professor Immanuel Raat, der durch seine ruinöse Liebe zur Varietékünstlerin Rosa Fröhlich zum Anarchisten wird. 1930 macht Josef von Sternberg aus der Abrechnung mit der großbürgerlichen und kleingeistigen (Lübecker) Gesellschaft den unkritischen Film Der Blaue Engel. Das arme Luder Rosa Fröhlich, das sich im Roman den alternden Professor schnappt, um endlich für sich und ihr Kind ein geregeltes Einkommen zu haben, wurde dank Marlene Dietrich zum spröden Vamp "Lola". Der ist auf Liebe eingestellt und sonst gar nichts.

Adorno ging mit den Filmemachern hart ins Gericht. Sie hätten Manns "Denunziation des Inhumanen zum Schweigen gebracht", schrieb er 1974. Der Konformismus sei dem Kunstwerk in die Parade gefahren, noch Jahre vor der Hitler-Zensur.

In Kooperation mit den Bregenzer Festspielen wagte sich nun das Theater in der Josefstadt, unterstützt von Peter Turrini, an eine Bühnenfassung. Mehr als ein Nachspielen des Films ist Herbert Föttingers Lola - der Blaue Engel aber nicht geworden, wie die Uraufführung am Mittwoch zeigte.

Manns Gesellschaftskritik bleibt ebenso ausgeklammert wie das Psychogramm des Fanatikers Raat. Erwin Steinhauer macht den tyrannischen Professor zum liebesblinden Trottel, zu Lolas "Unrätchen", dem Mitleid und Sympathie des Publikums sicher sind. Die fesche, im konkreten Fall freche Lola (Katharina Straßer) kann dagegen nur schwer ansingen. So dreht sich das Bühnenkarussell vorrangig um das Leiden der Männer.

Schade, dass ein Stück im 21. Jahrhundert mit der Moral eines 1930er-Jahre-Films enden muss: Wer aus der Konformität ausbricht, ist zum Scheitern verurteilt.

Premiere in der Josefstadt ist am 17. September. (Jutta Berger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.8.2009)