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Raketenwerfereinsatz gegen Stellungen der Rebvellen in der Provinz Saada

Foto: Reuters/Yemen TV


Sanaa/Wien - Der jemenitische Langzeitpräsident Ali Abdullah Salih kündigte diese Woche so etwas wie einen totalen Krieg an: Seine Regierung werde "Waffen kaufen und Festungen bauen statt Schulen, wir werden sie ausrotten, wo und wie auch immer".

"Sie", das sind die Huthi-Rebellen, gegen die seit der Vorwoche im Jemen eine neue Regierungsoffensive läuft. Zehntausende Zivilisten sind wieder vor Kämpfen in der Provinz Saada in der nordwestlichen Grenzregion auf der Flucht. Weder Rebellen noch Armee nehmen Rücksicht auf sie. Im Sommer 2008 hatte Salih den Krieg, der sich damals fast bis vor die Hauptstadt Sanaa erstreckt hatte, bereits für beendet erklärt. Im Frühjahr 2009 bröckelte die Waffenruhe ab.

Gemeinsam mit dem separatistischen Konflikt im Süden des Landes und dem wachsenden Einfluss jihadistischer Terrorgruppen hat die Huthi-Rebellion ein ernstzunehmendes Destabilisierungspotenzial für den Jemen. Beobachter fürchten, dass der Jemen Teil eines von Al-Kaida-affinen Gruppen und dem organisierten Verbrechen dominierten Raums werden könnte, der sich dann von Kenia über Somalia bis Saudi-Arabien erstreckt.

Auslöser war der Irak-Krieg

Die Huthi-Rebellion begann 2003/2004 mit Protesten gegen die US-Invasion im Irak; als der Anführer der "Shabab al-Mu'minin" (Jugend der Gläubigen) genannte Gruppe, Hussain al-Huthi, ein früherer Parlamentsabgeordneter, sich der Verhaftung durch die Behörden entzog, antworteten diese mit Gewalt. Hussain al-Huthi wurde im September 2004 getötet, sein Bruder Abdulmalik führt den Aufstand weiter. Trotz teilweiser Beruhigung flammte der Konflikt seitdem immer wieder auf und hat bereits tausende Tote gefordert.

Die Huthis sind ein zaiditischer Clan; der - sich über die Jahre mit neuen Akteuren und neuen Bezügen verkomplizierende - Konflikt wird als einer zwischen zaiditischer Minderheit und sunnitischer Mehrheit dargestellt. Die Zaiditen sind eine schiitische Sekte, die - anders als die Mehrzahl der Schiiten - nur fünf anstelle der zwölf Imame anerkennt (deshalb heißen sie auch Fünfer-Schiiten, die imamitische Schule im Iran, Irak, Libanon etc. sind hingegen die Zwölfer-Schiiten).

Wobei Praxis und Riten der Zaiditen dem sunnitischen Islam im Jemen näherstehen als der Schia im Iran - der von Jemens Regierung beschuldigt wird, die Huthi-Rebellion zu unterstützen. So hat der Konflikt auch eine starke regionale Komponente. Denn die Huthis beklagen ihrerseits die US-Freundlichkeit der jemenitischen Regierung sowie den wachsenden ideologischen Einfluss Saudi-Arabiens mit seinem puristischen Islam, der Zwölfer-Schiiten gerade noch duldet, für den jedoch alle anderen schiitischen Sekten Häresien sind.

Alte Herrscherdynastie

Es geht aber nicht so sehr um Religion als um verlorene Macht. Die Zaiditen, die im Nordjemen fast tausend Jahre lang regierten, waren bis 1962, als der Sturz der Monarchie im Jemen erfolgte, an der Macht. Sanaa wirft ihnen vor, wieder ein zaiditisches Imamat errichten zu wollen. Die Huthis ihrerseits beschuldigen Sanaa, ihre Provinz sozial und wirtschaftlich zu vernachlässigen - ein Problem, das in die Zeit des Bürgerkriegs in den 1960er-Jahren, als Saada eine Rebellenhochburg war, zurückreicht.

Ihre eigene Agenda haben indes Huthi-Sympathisanten im Irak: Schiitische Abgeordnete in Bagdad schlugen am Donnerstag vor, den zaiditischen Führern im Irak Asyl zu gewähren. Sie sagen offen dazu, dass das als Retourkutsche dafür gedacht ist, dass der Jemen Saddam-Baathisten beherbergt.  (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 21.8.2009)