Bild nicht mehr verfügbar.

US-Notenbankchef Ben Bernanke hofft, dass rekordniedrige Zinsen den Geldmarkt wieder in einen Normalzustand versetzen.

Foto: Reuters

Im August 2007 hat die Finanzkrise ihre ersten Kreise gezogen. Verluste am US-Hypothekenmarkt haben eine Welle des Misstrauens erzeugt. Die obskure Welt der Geldmärkte - Milliardensummen werden dort investiert, um ein paar Basispunkte, also Hundertsel Prozent, mehr Rendite zu verdienen - ist in das Licht der Öffentlichkeit gerückt. Denn der Interbankenmarkt, auf dem sich Banken gegenseitig Geld verleihen, ist zu diesem Zeitpunkt vollkommen eingefroren. Erstmals müssen die Geldinstitute sehr viel mehr Zinsen zahlen, wenn sie selbst kurzfristig Kapital brauchen - eine Prämie für das höhere Risiko.

"Die Banken hatten sich untereinander nicht mehr vertraut", erinnert sich Alexander Fagenzer, Senior Portfoliomanager für Geldmarktfonds bei der deutschen Union Investment. Die Buchstabensuppe der verbrieften Wertpapiere, von ABS bis CDO bis CDS, wollte keiner auslöffeln - Kredite wurden im Boom in Asset-backed Securities (ABS) gebündelt, auch Kreditderivate wie Credit Default Swaps (CDS) wurden in synthetischen Collateralized Debt Obligations (CDO) zusammengewürfelt.

Als niemand mehr diese Wertpapiere kaufen wollte, sind die Preise für diese Papiere massiv gefallen, mitunter "sind gar keine Kurse mehr entstanden", so Fagenzer. Banken mussten auf ihre Kreditportfolien bislang bereits mehr als eine Billion Dollar abschreiben, errechnete der Internationale Währungsfonds. Die Ökonomenrechnen gar mit weiteren Abschreibungen von drei Billionen Dollar.

Es dauerte nicht lange, dass Banken nicht nur illiquid waren, sondern insolvent - und damit nicht mehr in der Lage, ihre Schulden zu bedienen. Die "toxischen" Wertpapiere rissen tiefe Löcher in die Bilanzen der Banken.

Die Zentralbanken, angeführt von der Fed, haben versucht, jene Löcher zu stopfen, die von den verbrieften Wertpapieren übriggeblieben sind. Doch der Markt für die ABSist in den USA 4200 Milliarden Dollar groß, in Europa lag das Volumen 2007 bei 650 Milliarden Euro. Da diese Finanzierungsquelle so schnell versiegte, haben die Notenbanken Milliardenbeträge in die Geldmärkte und die Bankbilanzen gepumpt.

Die Welt nach Lehman

Die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers brachte eine große Schockwelle. Die Kreditmärkte sind vollkommen eingefroren. Der Ted-Spread, ein Zinsaufschlag, der misst, wie teuer es für Banken ist, sich zu refinanzieren, schoss auf ein Rekordniveau. Die Notenbanken mussten daher in den Folgemonaten Tausende Milliarden Dollar und Euro in den Geldmarkt pumpen, um einen Kollaps zu verhindern.

Die Geldmärkte funktionieren aber noch immer nicht. "Banken haben wieder Liquidität, aber horten derzeit das Geld", so Andreas Weidinger, Geldmarktexperte bei der Privatbank Kathrein und Co. Zahlen der Oesterreichischen Nationalbank belegen, dass Banken in Österreich zwar die niedrigen Zinsen der Notenbanken weitergeben. Das Volumen der Kredite, die die Geldinstitute an Private und Unternehmen vergeben, ist aber kaum angestiegen. Unternehmen müssen sich daher an anderer Stelle finanzieren: sie begeben Anleihen. Der Kapitalmarkt sei jetzt wichtiger für die Unternehmensfinanzierung als die Banken, fasst Weidinger zusammen.

Gezeichnet werden diese Anleihen immer häufiger von Privatanlegern. Enttäuscht von den Verlusten an den Aktienmärkten und den niedrigen Zinsen auf Sparbücher, hoffen sie auf Gewinne bei Unternehmensanleihen. Firmen konnten sich 2009 am Kapitalmarkt bereits 1000 Milliarden Dollar holen, so viel wie noch nie.

Doch hier zeichnet sich bereits die nächste Gefahr ab. Die US-Ratingagentur Standard & Poor's schätzt, dass die Pleiten bei Unternehmen mit einer niedrigen Bonität auf das Rekordniveau von 14,3 Prozent steigen werden. (Lukas Sustala, DER STANDARD, Printausgabe, 21.8.2009)