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Obszöne Gesten beim Abtransport Al-Megrahis in Glasgow.

Foto: AP/ Alastair Grant

Der krebskranke Lockerbie-Attentäter Abdel Bassit Ali Mohamed al-Megrahi (57) wurde am Donnerstag vorzeitig aus der Haft entlassen. Das teilte der schottische Justizminister Kenny MacAskill in Edinburgh mit. Die Freilassung des Libyers, der Prostatakrebs im Endstadium hat, erfolge aus humanitären Gründen. "Er geht nach Hause, um zu sterben" , sagte MacAskill. Der Libyer habe laut Gutachten "weniger als drei Monate" zu leben, seine Krankheit sei "tödlich, endgültig und unumkehrbar" .

Wie berichtet, war Al-Megrahi vor acht Jahren für einen Bombenanschlag auf ein Passagierflugzeug der US-Fluglinie PanAm im Jahr 1988 verurteilt worden. Das Wrack stürzte auf die Ortschaft Lockerbie, insgesamt kamen 270 Menschen ums Leben.

Noch am Donnerstag wurde Al-Megrahi von Glasgow nach Libyen geflogen und Medienberichten zufolge vom libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi erwartet. In Libyen gilt der verurteilte Ex-Geheimdienstmann als Bauernopfer im Spiel der Weltpolitik. Mit der Auslieferung Al-Megrahis zum Prozess waren internationale Sanktionen gegen Libyen aufgehoben worden. Weitere Verbesserungen folgten auf Entschädigungszahlungen für Lockerbie-Angehörige. Ab 2003 begannen im früheren "Schurkenstaat" auch ausländische Investitionen wieder zu fließen. Britische und amerikanische Ölmultis sind an den Öl- und Gasvorkommen interessiert, die USA haben wieder eine Botschaft in Tripolis, der Tourismus nimmt zu.

Von der US-Regierung wurde die Freilassung von Al-Megrahi mit "tiefem Bedauern" zur Kenntnis genommen, wie ein Sprecher des Weißen Hauses mitteilte. Die USA hatten aus Rücksicht auf die Familien der Opfer bis zuletzt gegen die Entscheidung protestiert.

Professor Hans Köchler von der Uni Innsbruck, der einst als Uno-Beobachter den Lockerbie-Prozess in den Niederlanden verfolgt hatte, begrüßt die Freilassung. "Meines Erachtens war Al-Megrahi nicht schuldig im Sinne der Anklage" , sagt er dem Standard. Von der Anklage angekündigte Sachbeweise seien im Indizienprozess zusammengebrochen. So sei etwa anfänglich von einer engen Zusammenarbeit mit dem zweiten Angeklagten die Rede gewesen. Letzterer wurde allerdings freigesprochen.

Dass Al-Megrahi seine Berufung vor wenigen Tagen zurückgezogen hat, bedauert Köchler, der auch Präsident der International Progress Organisation (IPO) ist. Die schottische Justiz hatte der Berufung erst nach vier Jahren zugestimmt - für Köchler ein Zeichen für Geheimdienstintervention. Das britische Außenamt habe mit Verweis auf die nationale Sicherheit die Herausgabe wichtiger Dokumente verweigert.

Wer für das Attentat verantwortlich sei? Darauf hat Köchler keine definitive Antwort: "Es gibt eine Reihe von Theorien." Tatsächlich stand lange Zeit der Iran im Verdacht. Hartnäckig halten sich auch Hinweise auf Südafrikas Geheimdienst. (Sebastian Borger aus London/DER STANDARD, Printausgabe, 21.8.2009)