Wien ist eine Stadt der Brücken und übertrifft mit 1.716 Exemplaren Venedig um das Vierfache. Mehr als 800 Brücken und Stege erleichtern allein im Wiener Ortsgebiet das Fortkommen. Autorin und Journalistin Elisabeth Patsios hat sich in ihrem neuen Buch "Wiener Brücken. Bauwerke ästhetischer Ingenieurskunst" diesem weniger beachteten Teil der Geschichte Wiens gewidmet.

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Zehn Donau-, 32 Donaukanal- und 40 Wienfluss-Brücken machen nur den kleinsten Teil des Gesamtbestandes aus. Allein auf die U-Bahn-Linien entfallen 271 Brücken mit einer Gesamtlänge von 12,939 Kilometern.

Der Konstantinsteg im Prater ist mit seinem Eröffnungsjahr 1873 die älteste Brücke Wiens. Ansonsten ist der Großteil der Wiener Brücken jedoch neueren Datums, da die wesentlichen Bauwerke im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden und seither die Bautätigkeit verstärkt wurde.

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Ein "blutiger Ort" sei der Platz gewesen, an dem heute die Schwedenbrücke steht, schreibt Patsios. Bereits im 15. Jahrhundert führte eine Schlagbrücke ("Slachpruck") über das Wasser, auf der das Vieh zusammengetrieben und geschlachtet wurde. Die Abfälle wurden in der Strömung des Flusses entsorgt - das entsprach den damaligen Hygienevorschriften. 

Auf der heutigen Schwedenbrücke ist ein markierter Pegel zu finden: Das so genannte "Wiener Null" entspricht der Höhe von 156,68 Metern über der Adria. Es wird nach wie vor zum Beispiel von den Grundwassermessstellen verwendet.

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Die Rotundenbrücke verbindet die Wiener Bezirke Landstraße und Leopoldstadt.

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Die Hohe Brücke überspannt den Tiefen Graben, wo einst der Ottakringer Bach floss. Er wurde um 1200 im Zuge der Errichtung des Minoritenklosters abgeleitet, danach floss ein umgeleiteter Arm des Alsbachs in das Flussbett. Die erste urkundliche Erwähnung eines Übergangs an dieser Stelle stammt aus dem Jahr 1295.

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Der restliche Rinnsal verläuft nun unterirdisch, berichtet Patsios. Aber es gebe noch Spuren, sagt die Autorin: "Zum Beispiel der Name des Hotel Orient, ein ehemaliges Schankhaus. Der Name leitet sich von den exotischen Waren ab, die die Händler an Bord hatten." 1896 wurde das Hotel offiziell eröffnet, in dem Teile von Orson Welles "Der dritte Mann" gedreht wurden. Die Hohe Brücke ist einige Male im Hintergrund zu sehen.

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Die Aspernbrücke wurde 1864 von Kaiser Franz Jospeh I. eröffnet und sollte an die siegreiche Schlacht bei Aspern im Jahr 1809 erinnern, bei der Napoleon Bonaparte seine erste Niederlage durch die österreich-ungarischen Truppen hinnehmen musste. Heute ist die Umgebung vor allem in der wärmeren Jahreszeit ein beliebter Ort für Nachtschwärmer: In unmittelbarer Nähe liegen das Badeschiff und die Strandbar Herrmann neben der Urania.

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Der Name Salztor erinnert an das Salzgries, jenen Markt der Salzhändler, der bereit 1322 eine urkundliche Erwähnung fand.

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Die Brücke wurde 1946 vollständig zerstört. Da die spärlichen Geldmittel zunächst für beschädigte Bauwerke verwendet wurden, deren Originalteile zumindest noch teilweise erhalten waren, wurde die Salztorbrücke als letzte Donaukanalbrücke wieder aufgebaut. 1961 konnte sie eröffnet werden.

Im Bild ist die Stadionbrücke im Jahr 1945 zu sehen.

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Die Marienbrücke, als Verängerung der Rotenturmstraße im ersten Wiener Gemeindebezirk, war die erste Stahlbetonbrücke Wiens. Die Brücke und die Marienstatue wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Auf den im Wasser liegenden Trümmern wurde kurzfristig ein Notsteg aus Holz errichtet. 1988 empfing Bürgermeister Helmut Zilk vor der neuen Marienstatue Papst Johannes Pail II. bei seiner Ankunft in Wien.

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Die wohl bekannteste Brücke ist die Reichsbrücke: Am ersten August 1976 um fünf Uhr Früh stürzte sie in sich zusammen. Ein Autofahrer kam ums Leben. Ein Busfahrer überlebte das Unglück unverletzt. Dabei blieb im Zweiten Weltkrieg ausgerechnet die Reichsbrücke als einziger Donauübergang zwischen Wien und Linz intakt. Die Sprengladungen der flüchtenden SS-Einheiten waren nicht zur Zündung gekommen. "Die Verantwortlichkeit dafür ist bis heute nicht geklärt", so Patsios.

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Ein Jahr nach dem Einsturz der Reichsbrücke wurde eine spezielle Brückenprüfung - die MA 29 - installiert, die seitdem über die Sicherheit der Wiener Brücken wacht. "Das ist schon ein kleines Geheimnis, wie viel Know-how dahinter steckt. Eine Brücke hat heute eine durchschnittliche Lebensdauer von 100 Jahren", sagt Patsios.

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Bereits vor der Zweiten Wiener Türkenbelagerung existierte an der Stelle der heutigen Augartenbrücke eine Überführ. Ein Floß, das an einem Seil hoch über dem Donauarm, aus dem später der Donaukanal entstand, gespannt war, transportierte täglich FußgängerInnen. Die heutige Augartenbrücke wurde 1931 fertigggestellt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie wie viele andere Objekte beschädigt, konnte aber 1946 wieder als erste der Donaukanalbrücken für den Verkehr freigegeben werden.

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Charakteristisch für die Augartenbrücke ist die ausgewogene Symmetrie - Architekt Hubert Gessner war ein Schüler Otto Wagners. Die zehn Querträger sind bunt besprayt, so wie fast alle Donaukanalbrücken.

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Graffitis sind im Prinzip nur entlang der "WienerWand" erlaubt. Für das entfernen der Bemalungen auf den Brücken ist ebenfalls die MA 29 zuständig.

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Auffälligstes Merkmal der Roßauer Brücke sind ihre Stützenkonstruktion. An beiden Uferseiten streben je vier Pfeiler in Form einer auf dem Kopf stehenden Pyramide auseinander.

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"Es ist schön, dass das Gebiet um den Donaukanal und die Brücken immer mehr genutzt wird", sagt Patsios. Im Gebiet der Schwedenbrücke, Marienbrücke und Aspernbrücke dominieren Lokale und Bars. Auf Höhe der Roßauer Brücke und des Siemens-Nixdorf-Stegs liegen im Sommer Städter im Gras und genießen die Sonne.

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Der Siemens-Nixdorf-Steg wurde 1990 bis 1991 errichtet. Die luftige Balkenbrücke ist 98 Meter lang und verbindet den zweiten und neunten Wiener Gemeindebezirk. Damit wurde eine Lücke im FußgängerInnennetz geschlossen, denn die Distanz zwischen Friedens- und Roßauerbrücke betrug 900 Meter. (red/derStandard.at, 20.8.2009)

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