Die Angst vor Vergiftung infolge Darmträgheit und Verstopfung hat die Menschen bereits um die Jahrhundertwende beschäftigt.

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„Waren Sie heute schon auf der Toilette?" Mit dieser Frage sieht sich der stationäre Patient jeden Morgen aufs Neue konfrontiert. Das Interesse an dieser höchst intimen Angelegenheit hat im Krankenhaus einen medizinischen Hintergrund. Medikamente, Operationen, Bettruhe oder veränderte Eßgewohnheiten machen den Darm unter Umständen träge. Das kann für das Wohlbefinden und die Genesung eines kranken Menschen durchaus kontraproduktiv sein und hat damit die Stuhlanamnese zu einem wichtigen Posten in Pflegeprotokollen gemacht. Der Patient weiß das Interesse für seine Stoffwechselgewohnheiten nicht immer richtig zu interpretieren, trotzdem gewinnt das Thema auch für ihn mit jedem Tag mehr an Bedeutung

Breites Interesse

Vordergründig scheint die Sorge und das dringende Bedürfnis um einen regelmäßigen Gang zur Toilette in Krankenhäusern beheimatet zu sein. Ein trügerischer Eindruck, der wahrscheinlich der Tatsache zu verdanken ist, dass zumindest dort darüber offen diskutiert wird. Tatsächlich ist es um die Präsenz der Thematik jedoch anders bestellt, wie auch eine von Danone Activia in Auftrag gegebene Studie zum Weltverdauungstag 2008 bestätigt hat: Neun von zehn Österreichern nehmen eine geregelte Verdauung ausgesprochen wichtig und mit steigendem Alter nimmt dieser Wunsch sogar noch zu.

Die konkreten Anforderungen die Herr und Frau Österreicher dabei an ihren Stuhl stellt: Er muss täglich und spontan kommen, sollte weich aber trotzdem geformt sein, von mittelbrauner Farbe, möglichst klebfrei und am besten noch gänzlich geruchlos. Ein hochgestecktes Ziel, das für viele zur Geißel im Alltag wird und hinter der sich eine tief sitzende Angst verbirgt. Die Angst vor chronischer Verstopfung bis hin zur Horrorvision der inneren Vergiftung infolge krankmachender Keime (Horror autotoxicus).

Am liebsten täglich

Natürlich nicht jeder kann so wie er gerne möchte. Die Frage ist aber: Muss man überhaupt so wie man will? Oder ist der tägliche Klogang zur Erhaltung der Darm- wie Allgemeingesundheit sowieso vollkommen überflüssig? Mediziner beantworten die letzte Frage übereinstimmend mit Ja und haben dazu auch eine plausible Erklärung: Die Darmentleerung ist ein individueller Prozess. Die physiologische Bandbreite dessen, was noch normal ist und was nicht, folglich entsprechend groß.

Für das persönliche Wohlbefinden reicht das Wissen, dass ein zweimaliger wöchentlicher Besuch am stillen Örtchen völlig ausreichend ist, in der Regel aber trotzdem nicht aus. Und Fragen, wie sie die Krankenschwester dem Patienten am Krankenbett stellt, oder aber die berühmten Stuhlkärtchen, die Sasha Wallezcek ihren Klienten in aller Öffentlichkeit präsentiert, schüren noch aufkeimende Ängste. Die Folge: Unprofessionelle Selbstdiagnosen und der verzweifelte Versuch eine Lösung zu finden, lässt unzählige „Verstopfte" zu Abführmitteln greifen, die in der Regel selbst eine Obstipation induzieren.

Um Missverständnisse und einen drohenden Medikamentenabusus zu verhindern, macht ein klärendes Gespräch mit einem Mediziner im Vorfeld auf jeden Fall Sinn. Insbesondere dann, wenn sich das persönliche Stuhlverhalten aus unerfindlichen Gründen innerhalb weniger Tage oder Wochen drastisch verändert. (Regina Philipp, derStandard.at,)