Bild nicht mehr verfügbar.

Ex-Außenminister Abdullah Abdullah: "Leider war jede Demonstration in der Geschichte Afghanistans von Gewalt begleitet"

Foto: epa

Kabul - Er werde gewinnen, rief Ex-Außenminister Abdullah Abdullah zum Wahlkampfabschluss im Kabuler Sportstadion seinem jubelnden Publikum zu - "wenn sie Eure Stimmen nicht stehlen!". Solch siegesgewisse Rhetorik könnte, so fürchten Beobachter, gewalttätige Auseinandersetzungen nach sich ziehen, wenn sich Abdullahs Anhänger betrogen vorkommen sollten. Der frühere Minister und ausgebildete Augenarzt ist der schärfste Konkurrent von Präsident Hamid Karzai bei der Wahl am Donnerstag, bei der Gewalt nicht nur von Taliban-Seite zu drohen scheint.

Abdullah, der bereits ein Szenario wie im Iran nach der Juni-Wahl an die Wand malt, ist nicht der einzige, der Betrug befürchtet. Wahlbeobachter halten Schwindeleien in Wahllokalen in abgelegenen oder gefährlichen Gegenden für am wahrscheinlichsten, wo keine unabhängigen Aufpasser dabei sein können. Für Wahlausweise soll ein florierender Schwarzmarkt existieren. Verdächtig viele Frauen - viel mehr als Männer - haben sich in konservativen Provinzen als Wählerinnen registrieren lassen, wo Karzai bei den Angehörigen seiner Volksgruppe der Paschtunen gut abzuschneiden erwartet.

Clinton mahnt zu Fairness

Ernstliche Zweifel an der Korrektheit der Wahl könnten die Legitimität des Siegers beschädigen; kein geringes Problem in einem Land, in dem sich die Regierung außerhalb der Hauptstadt nur mit Mühe behaupten kann. So rief US-Außenministerin Hillary Clinton am Montag dazu auf, am Wahltag für Sicherheit zu sorgen, Betrug auszuschließen und Beschwerden schnell und gerecht nachzugehen. "Wir appellieren an die Kandidaten und ihre Anhänger, sich vor und nach der Wahl verantwortungsvoll zu verhalten."

Der harte Kern von Abdullahs Gefolgsleuten, aus der Volksgruppe der Tadschiken, ist schon bei früherer Gelegenheit auf die Straße gegangen. So randalierten nach einem Unfall mit einem US-Militärlaster 2006 Hunderte Tadschiken in Kabul, rund 20 Menschen kamen ums Leben. Vorigen Monat wurde sein Wahlkampfleiter Abdul Satar Murad mit der Vorhersage zitiert, es werde Unruhen geben, wenn Abdullah nicht gewinne. Als diese Aussage für Aufsehen sorgten, erklärte Murad, er sei falsch zitiert worden. Doch der Kandidat selbst drückt sich kaum anders aus.

"Wenn es keinen Wahlbetrug gibt, dann ist dem Volk klar, wer der Sieger sein wird und wer der nächste Präsident sein wird - wenn sie Eure Stimmen nicht stehlen", rief er tausenden Anhängern im Stadion zu. Abdullah sage seinen Sieg zu Recht voraus, doch er stachele nicht zu Gewalt im Fall einer Niederlage auf, beteuerte Murad danach. "Das werden sie nicht tun", sagte er. "Sie werden den Vorgang beobachten, und wenn es fair und unparteiisch zugeht, gehört eine Niederlage eben dazu ... Es gibt politische Wege, sich Gehör zu verschaffen." 

Warnung vor Gewalt

Doch friedlicher Protest hat in Afghanistan keine Tradition, mahnt Harun Mir, Direktor des Zentrums für Politische Studien. "Leider war jede Demonstration in der Geschichte Afghanistans von Gewalt begleitet. Und wenn das Wahlergebnis für einen Kandidaten (...) nicht annehmbar ist - wenn es dann Protest gibt, wird der gewaltsam sein", sagte er mit Blick auf Abdullah.

Wenn dessen Anhänger Betrug argwöhnten, würden sie sich kaum an die Beschwerdekommission wenden, die sie als verlängerten Arm der Regierung Karzai betrachteten, erklärte John Dempsey vom US-Friedensinstitut in Kabul. "Vielleicht zerschlägt ein wütender Mob ein paar Sachen, greift vielleicht auch Menschen an, aber ich glaube nicht, dass das große Ausmaße annehmen und sehr lange dauern würde", sagte Dempsey.

Jüngste Umfragen deuten auf einen Sieg Karzais hin, der demnach rund 20 Prozent Vorsprung vor Abdullah hat. In keiner Umfrage aber kommt der Präsident auf die 50 Prozent, die eine Stichwahl vermutlich gegen Abdullah überflüssig machen würden. Dessen Anspielungen auf mögliche Unruhen könnten auch Mittel zum Zweck sein, um sich eine gute Ausgangsposition für spätere Gespräche über die Machtverteilung zu sichern. Karzai hat für den Fall seiner Wiederwahl bereits angekündigt, Abdullah und anderen Gegenkandidaten Regierungsposten anzubieten. (Jason Straziuso/AP)