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Funktioniert auch im afghanischen Wahlkampf: Politiker posiert mit Kind und Luftballon.

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Wahlkampfveranstaltung des amtierenden Präsidenten Karzai. 

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Kandahar/Kabul/Brüssel - Vor der für kommenden Donnerstag vorgesehenen afghanischen Präsidentenwahl hat sich die Sicherheitslage landesweit erheblich verschlechtert. Erstmals haben Taliban-Aufständische jetzt damit gedroht, Wahllokale direkt anzugreifen. Auf Flugblättern, die am Sonntag im Süden des Landes verteilt wurden, war zu lesen: "Die geachteten Einwohner sollen darüber informiert werden, dass sie nicht an den Wahlen teilnehmen dürfen, weil sie sonst Opfer unserer Operationen werden." Am Samstag waren bei einem Anschlag der Taliban vor dem NATO-Hauptquartier mindestens sieben Menschen getötet und über 90 weitere verletzt worden.

Ban verurteilt Anschlag

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat den Selbstmordanschlag auf das NATO-Hauptquartier "in schärfster Form" verurteilt. Sein Sprecher erklärte in New York, Ban sei tief beunruhigt über die "wahllose Gewalt" nur wenige Tage vor der Präsidentenwahl in Afghanistan. Zugleich sprach der UNO-Chef den Familien der Opfer sein Beileid aus und wünschte den Verletzten eine rasche Genesung.

"Wir werden neue Taktiken gegen Wahllokale anwenden", sagte ein Taliban-Sprecher der französischen Nachrichtenagentur AFP. Falls Bürger vor oder in den Wahllokalen verletzt würden, seien sie selbst dafür verantwortlich, denn die Taliban hätten sie vorher informiert. Statt der knapp 7000 geplanten Abstimmungszentren sei davon auszugehen, dass nur 6200 geöffnet sein würden, hatte die afghanische Wahlkommission am Donnerstag in Kabul mitgeteilt. Um Mehrfach-Stimmabgaben zu verhindern, wird am Wahltag ein Fingernagel jedes Wählers mit nicht abwaschbarer Tinte markiert. Aufständische sollen gedroht haben, wer Tinte am Nagel habe, dem werde der Finger abgeschnitten.

Mehr als dreißig Rebellen getötet

Rebellenverstecke im Nordosten zerstört
Bei Kämpfen im Nordosten des Landes sind mehr als 30 radikal-islamische Aufständische ums Leben gekommen. Die Taliban-Kämpfer seien in der Nacht auf Sonntag bei einer Militäraktion in Spera in der Provinz Khost an der Grenze zu Pakistan getötet worden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kabul.

Bei dem Einsatz im Vorfeld der Wahlen seien die Soldaten von Polizisten, Grenzpolizisten und internationalen Truppen unterstützt worden, teilte das Ministerium mit. Die Sicherheitskräfte hätten dabei mehrere Rebellenverstecke zerstört. Unter den Toten seien auch zehn Taliban-Kämpfer aus dem Ausland.

Rasmussen bekräftigt NATO-Engagement

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat unterdessen das langfristige Engagement des Militärbündnisses am Hindukusch bekräftigt. Angesichts der mittlerweile 201 in Afghanistan gefallenen britischen Soldaten unterstrich er am Sonntag die Entschlossenheit des Bündnisses im Kampf gegen die Taliban. "Das ist wirklich ein hoher Preis", heißt es in einer NATO-Erklärung zum Tod der britischen Soldaten. "Auch in dieser Zeit der Trauer hoffe ich, dass die Menschen verstehen können, dass wir diese Verluste in einer Sache erleiden, die von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit der 42 ISAF-Staaten ist", erklärte Rasmussen. In Afghanistan sind etwa 100.000 ausländische Soldaten aus 42 Staaten stationiert; 64.500 von ihnen stehen unter dem Kommando der NATO-geführten Schutztruppe ISAF.

Feuergefechte im Norden

Afghanische Sicherheitskräfte und Aufständische haben sich unterdessen in der nördlichen Provinz Kunduz erneut Feuergefechte geliefert. Ein Sprecher des dort stationierten deutschen Bundeswehrkontingents sagte am Sonntag, seit dem Vorabend sei es zu "einigen" Kämpfen gekommen. Opferzahlen seien nicht bekannt. Drei verletzte afghanische Soldaten würden im deutschen Rettungszentrum in Kunduz behandelt und in das Bundeswehr-Krankenhaus nach Mazar-i-Sharif ausgeflogen. Die Deutschen seien an den jüngsten Kämpfen nicht beteiligt gewesen und seit dem Feuergefecht am Samstag nicht mehr angegriffen worden.

Im Norden war am Donnerstag der frühere Präsident Burhanuddin Rabbani nur knapp einem Taliban-Anschlag entgangen. Rabbani, der afghanisches Staatsoberhaupt war, als die Taliban 1996 in Kabul die Macht an sich rissen, ist Parlamentsabgeordneter und als Exponent der Nordallianz einer der wichtigsten Unterstützer des ehemaligen Außenministers Abdullah Abdullah, der gegen Präsident Hamid Karzai antritt. Während die Taliban Anschläge bisher zumeist im Süden und Osten verübten, gerät nun auch der Norden und Westen immer stärker in ihr Visier.

Kritik am deutschen Einsatz

Die deutsche "Welthungerhilfe" hat schwere Vorwürfe gegen die Afghanistan-Politik der deutschen Regierung erhoben. "Die Bundesregierung tat lange so, als wären die deutschen Soldaten als Entwicklungshelfer im Einsatz", erklärte Generalsekretär Wolfgang Jamann in einem Gastbeitrag für "Bild am Sonntag". Damit habe sie der Öffentlichkeit "Sand in die Augen gestreut". Diese Illusion sei nun nach den jüngsten Kämpfen geplatzt: "Die Bundeswehr kämpft in Afghanistan an unübersichtlichen Fronten." Die Aufbauprojekte seien vom Umfang her zu vernachlässigen, "aber die Vermischung von Militär und Wiederaufbau hat erheblichen Schaden angerichtet", die Entwicklungshilfe durch die Wiederaufbau-Teams sei Teil der Militärstrategie geworden. Deshalb werde sie nicht mehr als unparteilich wahrgenommen. So griffen Aufständische deshalb auch Entwicklungshelfer an. Für Hilfsorganisationen in Afghanistan ist laut dem Bericht der Juli mit 23 Sicherheitsvorfällen und fünf Toten der schlimmste Monat dieses Jahres gewesen. (APA)