Na gut, die Standpauke hab ich mir verdient, aber die Argumente waren an den Haaren herbeigezogen. Dabei ist die Abwechslung schon ein bisserl erfrischend. Normalerweise krieg ich die Meldungen meiner Mitmenschen, die mir jegliche Denkkapazität absprechen, ja via Mail.

Foto: www.gluschitsch.com

Besorgte Anfragen zu meinem Geistes- und Gesundheitszustand beantworte ich gerne und ausführlich. Aber dass mich auf der Straße jemand zur Schnecke macht, ist mir noch nicht passiert.

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Gut, es war ein bisserl provokant, dass ich mich mit einem patscherten Stoppie neben der 1150er GS vor der Ampel eingeparkt habe. Woher konnte ich wissen, dass sich der BMW-Fahrer schreckt, nur weil ein Motorradlheck im Augenwinkel auftaucht.

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Und ungeschickt war, dass mir der Wheelie beim Wegfahren natürlich wieder nicht gelingen wollte. Dafür hab ich, um aus der Yamaha WR250X alles rauszukriegen, die Blaue gewürgt wie die 25-jährige Schönheit ihren Milliardär vorm Scheidungsrichter.

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Klar war ich an der nächsten Ampel, wenige hundert Meter weiter, wieder Erster. Bald schleift sich auch die rote GS wieder lauwarm neben mir ein und der Fahrer, der den kleinen Ausflug zwischen den beiden Ampeln mehr zum Wühlen im Sprachwortschatz als zum Motorradfahren nutzte, sprach: "Super, Burli, jetzt warst doppelt so schnell, doppelt so laut und hast doppelt so viel Sprit verbraucht wie ich!"

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Was er übersah: Ich hatte auch doppelt so viel Spaß, doppelt so viele Fliegen zwischen den Zähnen, weil ich doppelt so viel zu lachen hatte, und ich hatte in den letzten Wochen wohl doppelt so viel nicht gegessen wie er. Abgesehen davon, dass das, was er sagt, nur teilweise stimmt. Weil:

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Ich war nicht doppelt so schnell wie er. Ich war schneller. Mit den fast 31 PS und dem Drehmoment von nicht einmal 24 Newtonmeter hat die WR mit ihrem 250er Motor grad einmal die Leistung des Anlassers von der BMW, mit dem Trockengewicht von 128 Kilogramm ist sie jedoch mehr als doppelt so leicht. Aber wenn wir ehrlich sind, von der Beschleunigung allein wird einem nicht schwarz vor Augen.

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Ich war auch nicht doppelt so laut. Der erst bei 10.000 Touren ausgedrehte 250er- Einzylinder klingt mit dem zugestoppelten Serienauspuff wie ein Staubsauger mit übervollem Beutel. Das Geräusch ist grausam, aber nicht laut. Und die WR braucht auch bei forscher Fahrweise so wenig Sprit, dass man mit dem siebeneinhalb Liter fassenden Tank sogar das Auslangen findet.

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Mit der WR muss man fahren wie der letzte Prolet. Vollgas, Vollbremsung, Vollgas, Vollbremsung. Es gibt gar keine andere Möglichkeit. Und wenn man die WR bedient wie ein Henker, hat man Spaß ohne Ende und ist immer vorne dabei - na gut, auf dem Pannoniaring wird man nur gegen eine alt Puch Cobra mit Patschen ein Licht haben.

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Das Fahrwerk ist so gutmütig, dass sich sogar Vorderradblockierer in leichter Schräglage abfangen lassen, ohne dass man sich die Nasenhaare mit der Fahrbahn stutzt.

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Und durch ihr geringes Gewicht ist es auch ein Leichtes, mit der WR im Kreisverkehr die Schleifspuren, die man sich mit der Flex auf das Kneepad gemacht hat, abzuschleifen. Und das, obwohl die WR mit ihrer Sitzhöhe von 895 Millimeter die Knie nicht grad in Fußrastenhöhe spazierenführt.

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Deswegen: Man muss WR-Fahrern nachsehen, wenn sie ihre serienmäßig motorisierte 250er X bei jeder Gelegenheit melken wie Ordnungshüter Supersport-Fahrer in der Kalten Kuchl.

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Eine offene WR ist sowieso regelwidrig, macht aber sicher noch mehr Spaß. Ansonsten muss ich dem GS-Fahrer wie der Mehrzahl der ausfallend werdenden E-Mail-Schreiber recht geben. Ganz gscheit wars nicht - aber es hat Spaß gemacht.
(Guido Gluschitsch; Foto: www.gluschitsch.com)

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