Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Wir alle haben noch die schrecklichen Bilder jener bedauernswerten Mitbürgerinnen und Mitbürger im Kopf, die, ihren wohlverdienten Urlaub vor Augen, kürzlich stundenlang in einem sündteuren Anhaltelager südlich von Wien ausharren mussten, in völliger Unkenntnis ihrer Lage. Um sicherzustellen, dass dies für viele Bürgerinnen und Bürger nicht zum Regelfall wird, haben wir - Ihre österreichische Bundesregierung - schon vor längerer Zeit in weiser Voraussicht die Schenkungssteuer ersatzlos auslaufen lassen. Nur so war es uns nämlich nun möglich, unter Aufbringung großen Verhandlungsgeschicks sowie nach Beigabe eines geringen Betrages - er bewegte sich im einstelligen Hundert-Millionen-Bereich - einen starken Partner für die österreichische Fluglinie AUA zu finden. Von allen namhaften Expertinnen und Experten wird dies nun als beste Voraussetzung dafür anerkannt, dass heimische Flugreisende künftig nicht stundenlang in Wien-Schwechat auf ihre Flüge warten müssen, sondern schlimmstenfalls eher in Frankfurt am Main.

Werte Staatsbürgerinnen und Staatsbürger! Ihre Sicherheit ist uns das teuerste Gut. Auf die stark anschwellende Einbruchsserie, insbesondere im Osten des Landes, wurde deshalb vom österreichischen Bundesministerium für innere Angelegenheiten mit der Bildung der "Soko Ost" umgehend reagiert; sämtliche verfügbaren Spitzenkräfte aus mehreren Bundesländern wurden in und um Wien (öffentlichkeits-)wirksam zusammengezogen. Leider hat sich jüngst auf einem Nebenschauplatz, in Krems an der Donau, ein höchst bedauerlicher Zwischenfall ereignet. Der daraufhin umgehend in Gang gesetzte konzertierte Meinungsbildungsprozess hat aber gezeigt, dass für eine harmonierende Bundesregierung die Tiefpreislatte niemals eine Hürde sein kann.

Raschest wurde bei dem Supermarkt-Einbruch der "dritte Mann", Mister Anonym, ausgeforscht und verhaftet. Dennoch führte die Vorgehensweise der Polizei bei dieser Amtshandlung (es ist eben, wie wir alle wissen, verdammt hart, der Beste zu sein) zu Kritik in manchen Teilen der Bevölkerung. Damit dies einerseits nicht wieder vorkommen kann, und weil die österreichische Bundesregierung andererseits das "freie Wort" für unantastbar hält, haben wir jenes heimische Medium mit den meisten(s) gedichteten Leserinnen- und Leserbriefen mit einer sehr vielseitigen, gesonderten Unterstützung bedacht. Weil bekanntlich der Herausgeber des Blattes diesen von Ihnen allen verfassten Zeilen bisweilen auch selbst die Krone aufsetzt, dürfen die in die Inseratenkampagne gut investierten 400.000 Euro somit auch als wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der Altersarbeitslosigkeit angesehen werden.

Liebe Steuerzahlerinnen, liebe Steuerzahler! Nach den diversen milliardenschweren Konjunktur- und Bankenrettungspaketen steht ein weiteres maßgebliches Projekt der Bundesregierung, die so genannte Mindestsicherung, kurz vor dem erfolgreichen Abschluss. Auch hier agieren wir behutsam und verantwortungsbewusst. Es hat sich gezeigt, dass die von Teilen der Opposition dafür eingeforderten 600 Millionen Euro als völlig illusorisch zu betrachten sind. Wer die soziale Hängematte derart straff spannt, fügt letztlich den Bäumen, also unserer Umwelt, beträchtlichen Schaden zu. Völlig unerklärlich ist es uns deshalb, wie ein solcher Vorschlag von den Grünen kommen kann. Die österreichische Bundesregierung hat vielmehr 170 Millionen Euro für die Mindestsicherung reserviert, um das zarte Pflänzchen des Sozialstaats weiter sprießen zu lassen.

Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger, seien Sie also versichert: Die Mindestsicherung kommt zwar erst im Herbst 2010, mit ihrer österreichischen Bundesregierung sind Sie aber sozusagen schon jetzt mindest sicher!

Und so verbleiben wir, gezeichnet,
SPÖ & ÖVP

(Martin Putschögl, derStandard.at, 13.8.2009)