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Barack Obama kämpft für seine Reform. Und zwar nicht nur in Washington. In Bristol, Virginia, nahm Obama an einer Diskussionsveranstaltung in einem Supermarkt teil

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Die Diskussion über eine Gesundheitsreform in den USA nimmt Züge eines Glaubenskriegs an. In Alhambra in Kalifornien wurde US-Präsident Barack Obama mit Hitler-Bart dargestellt. Andernorts werden Politiker der Demokraten als Kommunisten oder Nazis beschimpft. Obama warf den Reformgegnern in einem Bürgerforum "Angstmacherei" vor. So behaupten Republikaner, er wolle "Todeskomitees" einrichten, die kranken Senioren aus Kostengründen die Behandlung verweigern. Die Reform soll allen Amerikanern einen Versicherungsschutz ermöglichen.

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Mit erregten, geradezu hysterischen Wortmeldungen blasen die Gegner Barack Obamas zum Angriff auf das wichtigste Reformprojekt des US-Präsidenten, eine Neuordnung des teuren, technisch hochmodernen, aber ineffizienten Gesundheitswesens. Verkappte Revolutionäre im Weißen Haus, so der Kern der Attacken, drängten Amerika auf den Weg in Richtung Sozialismus.

Arlen Specter, einst republikanischer, heute demokratischer Senator, war in die Kleinstadt Lebanon in Pennsylvania gefahren, um den Kritikern Paroli zu bieten. Auf einem Town-Hall-Meeting, einem Rathausforum, wollte der Veteran sachliche Antworten auf bohrende Fragen geben. Doch zu debattieren gab es nicht viel. Die Emotionen kochten hoch, rasch ersetzte pauschale Schelte den zivilen Diskurs.

"Sie nehmen dieses Land auseinander", rief eine Hausfrau. 2Wir wollen nicht, dass dieses Land ein zweites Russland wird." Ein stämmiger Grauschopf nannte den Politiker einen Tyrannen, der auf der Verfassung herumtrampele, einen Despoten, der aus dem Land der Freien eine Autokratie machen wolle. 

Je konkreter die Blaupausen, desto erbitterter der Ton. Obama hofft, sein wichtigstes Reformvorhaben bis Dezember unter Dach und Fach zu bringen. Spätestens dann soll das Parlament grünes Licht geben. Spätestens dann soll ein Kraftakt, an dem Bill Clinton 1993/94 gescheitert war, mit einem Gesetz enden, das erstmals allen Amerikanern den Schutz einer Krankenversicherung bietet.

Um das Paket zu finanzieren, bleibt der Regierung wohl nichts anderes übrig, als an der Steuerschraube zu drehen, zumindest für Besserverdiener. Vor allem aber baut sie auf Spareffekte. Eine staatliche Versicherung, für die USA eine Premiere, soll in den Wettstreit mit privaten Anbietern treten - ein Konkurrenzverhältnis, von dem man sich eine Senkung der Kosten erhofft. Allein das ist für konservative Widersacher Obamas ein rotes Tuch.

Todesgremium

Rush Limbaugh, polternder Radiotalker mit Millionenpublikum, hat es krass zugespitzt, als er das Logo der Reform aufs Korn nahm. Medizinische Symbole, die vor aufgehender Sonne über einer amerikanischen Landkarte schweben. „Es ist verdammt nah am Hakenkreuz der Nazis. Es hat etwas von Deutschland im Jahr 1942." David Scott, ein demokratischer Kongressabgeordneter aus Georgia, fand tatsächlich ein fettes Hakenkreuz auf seine Wahlkreis-Bürotür gesprüht.
Sarah Palin, streitlustige Diva der Republikaner, vor kurzem zurückgetreten vom Gouverneursamt in Alaska, schlug einen ähnlich schrillen Ton an. 

Sie behauptete, Obama wolle ein amtliches Todesgremium schaffen. Diese Runde solle darüber entscheiden, wer es wert sei, in den Genuss von Gesundheitsfürsorge zu kommen und wer nicht. 2Ein solches System ist geradezu böse", polemisierte Palin und spielte gezielt auf ein tief sitzendes Misstrauen gegenüber „Uncle Sam" an.

Der Staat, suggeriert die konservative Vizepräsidentschaftskandidatin des Jahres 2008, werde in Zukunft vorschreiben, wem die Krankenkassen welche Leistungen bieten - und an älteren Patienten skrupellos sparen. Das hässliche Wort von der Euthanasie macht die Runde. Auf Order von oben werde bei "Grandma" der Stecker gezogen, verbreitet die Nein-Fraktion als Gerücht.

Nichts stimme an den böswilligen Unterstellungen, kontert Obama, den die Schärfe der Debatte anfangs überrascht haben mag, der nun aber selbst die Offensive sucht. Bei einem Bürgertreffen in New Hampshire warf er seinen Gegnern vor, einen Buhmann zu konstruieren, den es in Wahrheit nicht gebe. "Jedes Mal, wenn wir nahe dran sind, eine Gesundheitsreform durchzusetzen, schlagen die speziellen Privatinteressen zurück", sagte ein sichtlich frustrierter Präsident. „Was wirklich Angst macht, ist, wenn überhaupt nichts geschieht." (Frank Herrmann aus Washington/ DER STANDARD Printausgabe, 13.8.2009)