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Auch Symptome der Krise: Das Geldbörsel der Konsumenten sitzt beim Trinkgeldgeben nicht mehr so locker wie früher, beklagen Beschäftigte im Tourismus.

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Wien - "Es gibt Fluchttendenzen aus dem Tourismus" - so interpretiert Georg Michenthaler vom Institut für empirische Sozialforschung (Ifes) die Ergebnisse einer Sonderauswertung zur Situation der Beschäftigten in der heimischen Fremdenverkehrswirtschaft auf Basis des jüngsten "Arbeitsklimaindex". Demnach wollen 19 Prozent der Befragten im Tourismus den Arbeitgeber wechseln, 17 Prozent wollen überhaupt die Branche ganz verlassen. Zum Vergleich: Acht Prozent der Beschäftigten in anderen Branchen haben zuletzt angegeben, von ihrem Betrieb die Nase voll zu haben, lediglich sechs Prozent wollen jeweils ihrer angestammten Branche den Rücken kehren.

Krise angekommen

"Die Krise ist nun auch im Tourismus angekommen", sagte dazu Kai Biehl von der Arbeiterkammer Wien am Mittwoch bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. Erstmals seit langem sinke die Zahl der Beschäftigten wieder. Damit verringere sich auch die Flexibilität in der Branche, die von den Arbeitnehmern laut Michenthaler traditionell durchaus geschätzt werden - gehöre es doch zum Berufsbild dazu, dass man "auf Saison" gehe, oft den Arbeitgeber wechsle und an vielen unterschiedlichen Standorten arbeite. Eine andere Tradition sei aber auch, so Tourismus-Gewerkschafter Rudolf Kaske, dass die Einkommen in der Fremdenverkehrsbranche im Vergleich niedrig sind, und jetzt mit der Krise werde die Lage "immer prekärer". 2007 belief sich der Durchschnittslohn auf 1519 Euro. Brutto.
50 Prozent der Beschäftigten in der Branche kommen auch nur mit "Zuwendungen" von Staat, Partnern oder Eltern über die Runden, geht aus der Umfrage hervor. Kaske sieht auch die Wechselwünsche seiner Kolleginnen und Kollegen als "alarmierendes Zeichen", weil Gastronomie und Hotellerie "keine Fluchtbranchen werden" sollten.
Kaske musste aber auch zugeben, dass "die Krise im Tourismus auf einem hohen Niveau" stattfindet. Denn derzeit seien rund 180.000 Personen in Österreich in der Branche beschäftigt, 2007 waren es 169.000.

"Krise auf hohem Niveau"

Selbst wenn die pessimistischen Aussagen der Hoteliers von einem Nächtigungsrückgang von zehn Prozent im kommenden Winter wahr werden würden, und die Beschäftigung deswegen um 3000 bis 6000 Personen fallen würde (so eine Schätzung des für das Arbeitsmarktservice AMS arbeitende Synthesis-Institutes), "wären wir immer noch über dem Niveau von vor zwei Jahren". An der "Schwarzmalerei" der Arbeitgeber wolle er sich aber nicht beteiligen, sagte Kaske: "Ich habe gelernt: Abgerechnet wird erst am Schluss. Vor allem im Tourismus."
Die aktuellen Arbeitslosenzahlen zeigen einen Anstieg von österreichweit fast 22 Prozent auf 24.492 beim AMS registrierte Jobsuchende. Besonders stark, nämlich um knapp 40 Prozent, stieg die Zahl in den größten Tourismus-Bundesländern Tirol und Salzburg, in Wien lediglich um knapp zehn Prozent. Die restlichen Bundesländer pendeln beim Zuwachs um den Österreichschnitt. Die Zahl der Saisonniers ist im Sommer nach Sozialpartnervereinbarung um zehn Prozent gesenkt worden. Für den kommenden Winter will Kaske die Verhandlungen erst im Herbst angehen, "wenn wir einen Überblick über den Arbeitsmarkt haben".

Trinkgeld wird weniger


Keine empirische Umfrage, aber "Gespräche mit meinen Kolleginnen und Kollegen über viele Jahre" wiesen, so Kaske, auch darauf hin, dass die wichtige Einnahmequelle für etwa 20 Prozent aller Beschäftigten im Tourismus weniger reichlich sprudelt: "Das Trinkgeldgeben hat sich stark geändert." Im Hausservice und an der Rezeption seien früher Trinkgelder üblich gewesen, heute kaum mehr. Er selber, bekannte Kaske, gebe übrigens nach wie vor zehn Prozent.(Leo Szemliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.8.2009)