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Dass die "junge Garde" der Fatah einen 50-jährigen Hoffnungsträger hat, sagt viel aus über die palästinensische Gerontokratie, die sich über das Westjordanland stülpt wie die israelische Besatzung. Marwan Barghuti, der am Dienstag zu Zentralkomitee-Ehren aufstieg, ist damit genauso alt wie die Fatah selbst: 1959, im Geburtsjahr Barghutis, gründete Palästinenserführer Yassir Arafat die Partei. Das Besondere am prominentesten neuen Führungsmitglied: Barghuti sitzt, zu fünfmal lebenslang plus vierzig Jahren verurteilt, seit 2002 in israelischer Haft.

Der in Ramallah geborene Barghuti engagierte sich früh in der damals verbotenen Fatah gegen Israel und landete als 18-Jähriger erstmals in einem israelischen Gefängnis. In keiner Biografie fehlt, dass er dort sein gutes Hebräisch gelernt hat. In jener Zeit verlobte er sich auch mit seiner Cousine Fadwa, später Anwältin; der Ehe entstammen vier Kinder.

Nach seiner Freilassung studierte er an der Bir-Zeit-Universität Politikwissenschaften, bevor er 1987, nach dem Ausbruch der ersten Intifada, wegen seiner politischen Aktivitäten deportiert wurde. 1994, zu Beginn des Oslo-Friedensprozesses, kehrte er in die besetzten Palästinensergebiete zurück und wurde 1996 ins Parlament gewählt.

Israelische Politiker, die am Friedensprozess beteiligt waren, beschrieben Barghuti stets als Pragmatiker, der ausschließlich gegen die Besatzung kämpfe; er selbst hatte sich gegen Gewalt gegen Zivilisten ausgesprochen. Was das - von beiden Seiten herbeigeführte - Scheitern des Oslo-Prozesses in ihm auslöste, ist ungewiss. Barghuti jedenfalls bestreitet die ihm von Israel im Prozess 2004 zur Last gelegten Taten vehement. Sicher ist jedoch, dass sich die Al-Aqsa-Brigaden, die in der zweiten Intifada ab 2000 auch Verbrechen an israelischen Zivilisten verübten, auf ihn als Führungsfigur beriefen. Mit Arafat hatte Barghuti sich da längst überworfen.

Seine politischen Aktivitäten gab er auch im Gefängnis nicht auf, so versuchte er unter anderem, zwischen Fatah und Hamas zu vermitteln. Für jene Palästinenser, die die Hamas ideologisch ablehnen und Korruption, Menschenverachtung und Unfähigkeit der Fatah beklagen, ist er eine Ikone. Die israelische Haft hat dazu höchstens noch beigetragen, weswegen auch der Titel "palästinensischer Mandela" nicht ausbleiben konnte. Auch in Israel wird trotz der Höhe der Strafe eine Freilassung Barghutis immer wieder andiskutiert, etwa im Zuge eines Gefangenenaustauschs. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2009)

"Junge Garde" der Fatah trägt graue Schläfen
Marwan Barghuti, Palästinenserführer in israelischer Haft. Foto: EPA