Angela Merkel ist wieder da. Drei Wochen lang war die deutsche Kanzlerin im Urlaub, nun bereitet sie sich auf die heiße Wahlkampfphase vor. Bis zum 27. September wird sie mehr als 60 Großveranstaltungen absolvieren. Ein besonderes Schmankerl haben sich die CDU-Strategen für Mitte September ausgedacht: Merkel fährt, begleitet von den Nachkommen des ersten Kanzlers Konrad Adenauer (CDU), im Nostalgiezug "Rheingold" durch das Land. So will sie an die Gründung der Bundesrepublik vor 60 Jahren erinnern.
Ein verzichtbares Vorhaben, findet SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier (SPD). "Ein Nostalgiezug steht nicht für die Arbeit von morgen, um die wir uns zu kümmern haben" , kritisiert er. Überhaupt biete die Union viel Show, aber keine Inhalte. Steinmeier und seine Strategen wurmt es mittlerweile gewaltig, dass Merkel den Wahlkampf bisher einfach ausfallen hat lassen. Während er, Steinmeier, einen "Deutschland-Plan" (vier Millionen Jobs bis 2020) vorgelegt habe, gebe es bei der Union nicht einmal ein schriftliches Konzept, wie man die Wirtschaftskrise weiterhin bewältigen solle.
"Das finde ich nicht in Ordnung. Das ist ein Versuch, die Öffentlichkeit einzulullen" , klagt der SPD-Kandidat. Er will Merkel in den nächsten Wochen zur inhaltlichen Auseinandersetzung zwingen. Die Kanzlerin müsse Farbe bekennen, wie sie für mehr Arbeitsplätze in Deutschland sorgen wolle. Steinmeier über den Wahlkampf: "Bisher entzieht sich die andere Seite der Debatte. Ich will sie."
Kein Hehl macht Steinmeier bei seinen Auftritten auch daraus, dass er sich nach der Wahl eine Ampel-Koalition aus SPD, FDPund Grünen vorstellen kann. Das wiederum alarmiert die Union, die FDP-Chef Guido Westerwelle immer mehr bedrängt, sich doch im Wahlkampf endlich auf ein schwarz-gelbes Bündnis festzulegen. Besonders hart wird Westerwelle vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) attackiert: "Aus heutiger Sicht kann und will ich Herrn Westerwelle nicht vertrauen. Eine Stimme für die FDP kann am Ende auch in einer Ampel mit SPDund Grünen landen" , erklärt er.
Tiefe Einblicke ins Dekolleté
Für Aufregung sorgt in Berlin ein Wahlplakat der CDU-Kandidatin Vera Längsfeld. Die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin kandidiert im "grünen" Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und zeigt auf ihrem Plakat über dem Slogan "Wir haben mehr zu bieten" zwei tiefdekolletierte Frauen: Merkel und sich selbst. Das Foto der Kanzlerin war im vorigen Sommer bei der Eröffnung der Oper in Oslo aufgenommen worden und hatte für enormes Medienecho gesorgt.
Sie habe sich etwas Originelles einfallen lassen müssen, um in der Hochburg der Grünen "überhaupt wahrgenommen zu werden" , sagt Lengsfeld und berichtet von 17.000 Klicks auf ihren Wahl-Blog. Merkels Zustimmung (oder die der CDU-Zentrale) hat sie allerdings nicht eingeholt. Es sind auch nicht alle so begeistert wie Lengsfeld selbst. So kritisiert die Vorsitzende der Frauen-Union, Maria Böhmer, "Effekthascherei". (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2009)