Machte es Dichter und Moderator Daniel Kehlmann im Salzburger Mozarteum nicht einfach: Kabarett-Altmeister Georg Kreisler, angereist für einen Abend der Reihe "Dichter zu Gast" .

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Salzburg - Wie ungestillt muss der Hunger nach authentischen Persönlichkeiten sein, um einen Konzertsaal wie das Salzburger Mozarteum aus allen Nähten platzen zu lassen! Mit einem Kabarett-Chansonier als Magneten, dessen legendär-bissige Nummern fast schon ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel zynischer Weltbetrachtung haben und nicht zufällig Kult-Charakter genießen. Mit Georg Kreisler, dem wohl einzigen in den zwanziger Jahren wurzelnde Überlebenden eines ausgestorbenen Singsprech-Unterhaltungsgenres.

Sein umjubelter Auftritt zum Finale der Dichter-zu-Gast-Reihe kündete von einer fernen Zeit: Köpfe dieser unbeugsamen Art führen zurück in tiefe Schichten verschütteter Geisteshaltungen. Was ihm bis heute an giftigen Geradlinigkeiten über die Lippen kommt, macht verständlich, warum Kreisler immer zu den bestgehassten, schön unterm Teppich gehaltenen Österreichern gehört. Karriere hat er vor allem in Deutschland gemacht - mit schneidenden Texte und seiner Art, mit Humor und scharfem Diskant in Wunden zu bohren.

Festspieldichter-in-residence Daniel Kehlmann hatte alle Moderatorenregister zu ziehen, um den sperrigen Partner in Schwung zu halten. Wirklich Neues war nicht zu erfahren. Biografische Begegnungen mit Schönberg, der Dietrich und Chaplin ließen aufhorchen, auch die Situationskontakte des ehemaligen US-Armeeangehörigen mit den Teufeln des Dritten Reiches. Was der traditionalistiche Sarkast und Moralist Kreisler vom europäischen Kulturbetrieb und speziell von der österreichischen Nackkriegs-Politkultur und ihren heutigen Gepflogenheiten hält, ist bekannt. Wer Faschisten sind, ist für Kreisler glasklar - nach wie vor mit verstörender Offenheit. Somit: Man darf am kommenden Marienfeiertag Ungefiltertes aus dem Radio-Kultursender erwarten.

Nur keine Nostalgie

Für die Freunde des "Tauberlvergiftens" war es aber dann kein nostalgischer Abend. Von der CD kamen nicht die populären pechschwarzen Konzentrate des Makabren, sondern todtraurig stimmende Liedbetrachtungen über das Bösbanale und die Lust, einmal Rache nehmen zu dürfen - für die Erniedrigung. Kreisler ist keineswegs ein Versöhnungssäusler.

Kehlmann hatte sich zur Abschiedsrunde kein leichtes Gesprächskaliber geladen. Zu lapidar ist der Kreisler-Personalstil, zu wenig war "Der Alte" bereit, auf junge, etwas zu betuliche Schmeidigkeiten einzugehen.

Weniger insistierend und daher gelockerter verlief der "Paarlauf" mit dem Zauberkünstler Juan Tamariz - in seinem Balancieren zwischen Trick und Wunder, Poesie und Naturgesetz eine literarische Kehlmann-Bezugsfigur.

Neben Autorengesprächen über die Facetten des Übersetzens und die "dunklen Geheimnisse" des Dichtertums gewichtigste Planung der Kehlmann-Leiste war der Ensemble-Leseabend aus Tom Stoppards dramatischem Panorama "Die Küste Utopias" .

Was in London und New York längst erfolgreich über Bühnen gegangen ist, verschreckt bis heute die Intendanten des deutschsprachigen Raumes. Vorbei scheint hier die Zeit theatralischer Mammutformate mit Inhalten jenseits des Alltäglichen. Man hat offenbar Angst vor einem komplexen Figurenkonglomerat, in dem romantische russische Revolutionsdenker in den Ring steigen.

Bei einem Abschlussgespräch im Medienzentrum bekundete Daniel Kehlmann dann bezüglich seiner umstrittenen Salzburger Eröffnungsrede (Stichwort: "Regietheater" ), sich durch die vielen ablehnenden wie zustimmenden Reaktionen in seiner These letztlich bestätigt zu fühlen: Das "Regietheater" sei ein großes Tabuthema. Er wollte in jedem Fall keine "weihevolle" Eröffnungsrede halten, sondern eine inhaltliche Auseinandersetzung führen.

Dazu Salzburgs Theaterchef Thomas Oberender: "Er war nicht zurückzuhalten, in dieses Minenfeld hineinzuspringen. Nun hat es einen produktiven Effekt. Im Kern sehe ich dieses Thema aber doch etwas anders." Ob Kehlmann nach den nun gesammelten Erfahrungen auch ein Theaterstück schreiben wolle? "Darüber denke ich laufend nach. Ein Schriftsteller sollte sich in mehreren Genres versuchen." (Anton Gugg, DER STANDARD/Printausgabe 12.8.2009)