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Nur scheinbar gleiche Chancen bei den Aufnahmetests zum Medizinstudium (hier im Juli in Wien): Frauen brächten aus der Schulzeit schlechtere Voraussetzungen mit, meinen Experten.

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Wien - Mädchen spielen mit Puppen, Buben bauen Türme aus Bauklötzen: Auf diesen einfachen Nenner bringt man im Wissenschaftsministerium das Problem. Von klein auf würde die Begeisterung von Mädchen für Naturwissenschaften zu wenig geweckt, meint Minister Johannes Hahn: "Das beginnt bereits im Kindergarten. Mit 18 lässt sich das Manko nicht mehr so leicht beheben."

Die jüngsten Ergebnisse bei den Aufnahmetests fürs Medizinstudium lesen sich wie eine Bestätigung von Hahns These. An den Unis in Wien und Graz schnitten die Frauen deutlich schlechter ab als die Männer: Obwohl bei den Tests in der Mehrheit, ergatterten sie nur eine Minderheit der Studienplätze.

Auch Unterrichtsministerin Claudia Schmied glaubt, dass die Defizite bereits im Kindes- und Jugendalter angelegt würden: "Studien wie Pisa zeigen, dass wir vor allem im Unterricht an der Motivation von Mädchen für Naturwissenschaften arbeiten müssen." Experten bestätigen das. Mit der "geschlechtsspezifischen Sozialisation" erklärt die Bildungspsychologin Christiane Spiel, Koautorin einer Studie zu den Medizinertests, den Rückstand: "Selbst in den Köpfen von angehenden Lehrern sitzen Stereotypen, die zu unterschiedlichen Erwartungen an die Schüler führen: Eben dass Mädchen besser in Sprachen und sozialen Fähigkeiten seien und Knaben besser in Technik und Naturwissenschaften."

Burschen werden etwa im Unterricht, so belegen Untersuchungen, viel häufiger zu Experimenten in Chemie oder Physik drangenommen. Kein Wunder, dass Mädchen in diesen Fächern weniger Selbstvertrauen aufbauen - und sich auch weniger engagieren. Dass sie mitunter dennoch bessere Noten haben, könne trügerisch sein, meint Spiel: "Möglicherweise werden Mädchen für andere Leistungen belohnt als die Knaben." Nämlich weniger für inhaltliche Kompetenz als "für Fleiß und Einsatz, was ja auch als typisch für Mädchen angesehen wird" .

Schwer zu beseitigen

Weil diese Ungleichbehandlung unbewusst geschehe, sagt Spiel, sei sie natürlich besonders schwer zu beseitigen. Die zuständigen Minister versuchen's mit Förderprogrammen. Unter dem Titel Sparkling Science führt das Wissenschaftsministerium mit Schulen Forschungsprojekte durch, an denen zu zwei Drittel Schülerinnen teilnehmen. Auch das Unterrichtsministerium setzt einschlägige Aktivitäten.

Allerdings, warnt Barbara Schober, Mitautorin der Studie, könne man nicht alles auf die Schulen schieben. So seien die Prüfungen "nicht fair" zusammengestellt, weil Bereiche wie soziale Kompetenz, wo Frauen reüssieren könnten, ausgeblendet würden - dabei seien derartige Fähigkeiten für Ärzte alles andere als unwichtig. "Bei den Tests geht es nicht darum, die besten angehenden Ärzte zuzulassen, sondern darum, jene Kandidaten auszuwählen, die die höchste Wahrscheinlichkeit haben, ihr Studium zu beenden" , sagt Melitta Bohn-Rieder, in der Österreichischen Ärztekammer unter anderem für Gleichbehandlung zuständig, und meint kritisch: "Wir haben die richtigen Auswahlkriterien noch nicht gefunden."

Auch das System des Multiple Choice, ergänzen Experten, bevorzuge Männer. Während diese auch einmal raten, überlegen die risikoscheueren Frauen länger und verlieren dabei kostbare Zeit.

Eine Ursache schließt Spiel aber aus: dass unterschiedliches Talent angeboren sein könnten. "Es gibt bis ins Alter von sechs, sieben Jahren keine Unterschiede, was die Motivation in Mathematik und dergleichen betrifft." Und später beim Studium zeige sich sowieso, dass Frauen nicht weniger geeignet seien: Bei den Absolventen sind sie laut Studie wieder in der Mehrheit. (Gerald John, Peter Mayr und Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2009)