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Die Gründung einer EU-Rüstungsagentur rückt näher: Entsprechende Pläne hievten die EU-Staats- und Regierungschefs im Schatten des Irakkriegs nun sogar in die Schlusserklärung ihres Gipfeltreffens Ende der Woche in Brüssel. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder betonte: "Wir müssen die europäische Rüstungsindustrie zusammenbringen." Das sei "sehr wichtig, weil wir sonst Gefahr laufen, dass wir technologisch zurückfallen - auch mit Auswirkungen auf andere Sektoren".

Die EU-Kommission hatte es vor knapp zwei Wochen drastisch formuliert. Es gehe jetzt im Rüstungsbereich um "das Überleben einer europäischen industriellen Basis", die imstande sei, überhaupt die gemeinsame EU-Verteidungspolitik zu unterstützen. Der Fortbestand des Sektors hänge von "einer erfolgreichen und transeuropäischen Konsolidierung der Industrie ab", heißt es im Strategiepapier der Kommission zur "Verteidigungsgüterpolitik".

Keine Chance gegen USA

Die Kernthese der 19-seitigen Schrift ist klar: Bleibt der EU-Rüstungsmarkt so zersplittert, wie er ist, und kaufen die EU-Staaten weiter ihre Waffen unkoordiniert in zu kleiner Stückzahl auf ihrem jeweiligen Heimatmarkt, dann haben Europas Unternehmen gegen die US-Konkurrenz keine Chance. Früher oder später würden sie als bloße Zulieferer enden.

Amerika, du hast es besser: Washington kauft en gros bei seinen nationalen Anbietern, denen immer neue Forschungsprojekte finanziert werden. Die europäischen Firmen aber müssen, wenn sie denn schon einmal einen Auftrag über größere Chargen aus mehreren EU-Staaten bekommen, die unzähligen Spezialanforderungen jeder einzelnen Armee befriedigen. Das treibt die Kosten in die Höhe.

Zögerliche Zusammenarbeit

Bisher hatte das die EU-Staatslenker nicht weiter beeindruckt: Auf ihre nationale Souveränität pochend und die Interessen der eigenen Rüstungskonzerne immer im Auge, hatten sie nur sehr zögerlich und punktuell zu einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gefunden. Die EU-Kommission, die schon 1997 einen Vorstoß für eine koordinierte Rüstungspolitik gemacht hatte, war damals abgeblitzt. Jetzt startet sie - unter günstigeren Vorzeichen - einen neuen Versuch.

Hoffnung verleiht Brüssel die wirtschaftliche Wirklichkeit: Anstoß zum Umdenken in den Köpfen der nationalen Waffenkäufer war, im Rückblick, unter anderem die Gründung von EADS. Im Juli 2000 entstand die Eurofighter-Schmiede als Europas größtes Luft- und Raumfahrtunternehmen aus der Fusion der deutschen DaimlerChrysler Aerospace, der französischen Aerospatiale Matra und der spanischen Casa. Bei den Marine-Werften und den Waffenwerkstätten für Bodentruppen herrscht demgegenüber weiter Kleinstaaterei.

EU-Rüstungsagentur als Krönung

Ginge es nach Leuten wie Erkki Liikaanen, dem EU-Kommissar für Industriepolitik, sähe die Lage bald anders aus. In seinem Strategiepapier weist er den Weg: Zuallererst müssten endlich die technischen Anforderungen und Standards der nationalen Waffenkäufer einheitlicher werden. Dann sollten Baulizenzen zwischen EU-Firmen ohne überflüssige staatliche Barrieren und Papierkram ausgetauscht werden können. Außerdem müssten die EU-Staaten ihre Materialbeschaffung nach gemeinsamen Regeln in Europa ausschreiben.

Die EU-Rüstungsagentur für die Beschaffung von Verteidigungsgütern, die all das koordiniert, wäre die Krönung. Dagegen, dass diese den Hauptstädten entgleitet, haben die EU-Staatschefs beim Brüsseler Gipfel vorgebaut: Zu prüfen sei die "mögliche Errichtung eines zwischenstaatlichen Amtes", heißt es.

Umso forscher wirkte da der Vorstoß des belgischen Premiers Guy Verhofstadt: Er lud für die Woche vom 20. April Frankreich, Deutschland und Luxemburg zu einem Gipfeltreffen zur Verteidigungspolitik. Unter anderem soll man sich dort über eine gemeinsame "EU-Verteidigungsarmee" Gedanken machen. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 24.3.2003)