Ein "Diagonale Special" erinnert mit Videoprojektionen, einem neuen Buch und einer Werkschau an den bedeutenden Filmautor Carl Mayer.

Von Isabella Reicher

Graz - "Als Carl Mayer 1944 in London verschied, hinterließ er nichts als Schulden." Drei Jahre nach seinem Tod sammelten Freunde und Kollegen Geld, um an seinem Grab eine Gedenktafel mit dem Ehrentitel "Pionier der Filmkunst" anbringen zu lassen.


Mayer (li.) mit Friedrich Wilhelm Murnau
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Foto: Stiftung Deutsche Kinemathek

Als Carl Mayer 1894 in Graz geboren wurde, war die Filmkunst noch nicht erfunden. Mehr als hundert Jahre später steht der Stellenwert des Kinos längst außer Frage. Der Name des Drehbuchautors und Dramaturgen Mayer ist aber, zumal in seinem Herkunftsland, kaum noch geläufig.

Zwar wurde der von Bernhard Frankfurter 1989 initiierte, höchstdotierte österreichische Drehbuchpreis nach ihm benannt. Trotzdem wird er - anders als etwa Billy Wilder, ein anderer Filmemigrant - selten als heimische Kinogröße reklamiert.


Sunrise (Regie: Murnau, USA 1927)
Augartenkino KIZ
27. 3., 21:00; 30. 3., 16:00

Foto: Österreichisches Filmmuseum

Carl Mayer wieder nachhaltig in Erinnerung zu rufen, ist demnach das erklärte Ziel des Diagonale Specials "Carl Mayer, Scenar[t]ist. Ein Filmautor zwischen Caligari und Exil.", das von 23. bis 30. 3. bei Graz 2003 stattfindet.

Wiedergutmachung

Als eine Form der Wiedergutmachung definieren die Filmhistoriker Brigitte Mayr, Christian Cargnelli und Michael Omasta denn auch die von ihnen konzipierte Veranstaltung.


Im Rahmenprogramm:
Otto Sander liest "Sunrise"
Augartenkino KIZ -- 26. 3., 21:00

Foto: Diagonale / CM-Drehbuchwettbewerb

Neben einer Filmschau gehört dazu ein soeben bei Synema erschienener, umfassender Band, der Lebens- und Werkgeschichte Mayers dokumentiert.

In der Grazer Innenstadt wird der Autor eine Woche lang präsent sein: auf neun von Zone gestalteten Videoscreens, deren Tonspur jeweils namhafte Musiker komponierten.


Führung entlang der Videostationen:
Augartenkino KIZ -- 24. 3., 13:00

Buchpräsentation
"Carl Mayer, Scenar[t]ist"
Augartenkino KIZ -- 25. 3., 13:30

Foto: Diagonale

Immerhin hat Mayer, dessen Arbeit beim Film Ende der 10er-Jahre in Berlin begann und der 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft zur Emigration gezwungen war, über Prag schließlich nach London gelangte, das Buch zu Robert Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari (1920) geschrieben - einem der einflussreichsten frühen Spielfilme überhaupt.

Rund 18 seiner Drehbücher wurden zwischen 1919 und 1927 verfilmt. In Zusammenarbeit mit dem Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau entstanden unter anderem Stummfilmklassiker wie Der letzte Mann (1924) oder Sunrise (1927).


Das Cabinet des Dr. Caligari
Augartenkino KIZ
25. 3., 13:30; 30. 3., 21:00

Foto: Österreichisches Filmmuseum / © F.W. Murnau Stiftung

Auch Der träumende Mund (1932), inszeniert von Paul Czinner, basiert auf einem Drehbuch von Mayer, der zusätzlich die dramaturgische Leitung über hatte.

Wenn man etwa zusieht, wie dieses Melodram langsam in Gang gebracht wird, wie genau ein Ehealltag entworfen wird, bevor sich Elisabeth Bergner quasi unter den Augen ihres nichts ahnenden Ehemannes leidenschaftlich in dessen Freund und Kollegen verliebt, dann möchte man sich Willy Haas' Verbeugung vor dem Filmautor Mayer anschließen, die zu Der Gang in die Nacht (1920/21) erschien und in der es heißt:


Der träumende Mund
Augartenkino KIZ
25. 3., 13:30; 30. 3., 21:00

Foto: Österreichisches Filmmuseum

"Wo hört hier die Kunst des Verfassers auf, wo beginnt die des Regisseurs, und wo die der Schauspieler? Man weiß es nicht. Alles ist ineinander gewachsen; alles geht ineinander über. Alles ist, es gibt keinen anderen Ausdruck, vollendet. Das Manuskript hat Carl Mayer verfasst - ein Dichterwerk; nichts weniger.

Die Technik des Filmes gehorcht ihm auf den Druck einer Fingerspitze. Unglaublich, wie er über Passagen wegeilt, drängend, atemlos, mit zwei Andeutungen. Wundervoll, wie er anderswo wieder zu verweilen weiß, unbesorgt, fast hartnäckig (...)"


Hintertreppe (Leopold Jessner, D 21)
Augartenkino KIZ
25. 3., 21:00; 30. 3., 13:30

Foto: Stiftung Deutsche Kinemathek / © F.W. Murnau Stiftung

"Carl Mayer, Scenar[t]ist" wird am Sonntag, den 23. März, um 19.30 Uhr mit der österreichischen Erstaufführung der restaurierten Fassung von Murnaus Der letzte Mann in der Helmut-List-Halle eröffnet.

Alle weiteren, von internationalen Experten eingeleiteten Filmvorführungen finden im Kino im Augarten statt.
(DER STANDARD, Printausgabe,
22./23. 3. 2003)

Link: diagonale.at/specials


Der letzte Mann (D 1924)
Wh.: Augartenkino KIZ -- 27. 3., 13:30
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Foto: Österreichisches Filmmuseum / © F.W. Murnau Stiftung