Zeichnung: Oliver Schopf

In Hinblick auf die Forschung bin ich eher fürs Klotzen als fürs Kleckern", sagt Gottfried Kirchengast und lacht. "Da hab' ich eine antiösterreichische Mentalität." Was die österreichische Seele beschwichtigen wird: Der Grazer Klimaforscher, der mit seinen 37 Jahren bereits zur internationalen Elite seiner Zunft gehört, ist nicht nur ein Verfechter des "thinking big", sondern auch ein erfolgreicher Praktiker des entsprechenden Tuns.

Immerhin hat er mit einem dänischen Kollegen den Zuschlag für ein 120-Millionen-Euro-Projekt der ESA erhalten, bei dem eine Klimasatellitenmission die Atmosphäre mit bisher ungekannter Präzision vermessen soll. Um mit einem solchen Megaprojekt betraut zu werden, bedarf es neben dem nötigen Selbstvertrauen und herausragender Forschungsleistungen auch einer ordentlichen Portion Ausdauer: "Für diesen Erfolg haben wir sieben Jahre hart gearbeitet. Drei Vorläuferprojekte scheiterten knapp, aber wir haben uns nie entmutigen lassen."

Dass eigene Pläne selten mühelos durchzusetzen sind, hat der Spross einer oststeirischen Bauernfamilie schon früh gelernt: "Wir waren fünf Kinder, und ich war nach zwei Brüdern das dritte. In dieser Position muss man schon einiges in die Waage legen, um von den Älteren fair behandelt zu werden." Vielleicht ist auch sein ausgeprägter Widerwille gegen ungerechtfertigtes Sich-unterordnen-Müssen dieser frühen Prägung zu verdanken.

Der Karriere zumindest hat es nicht geschadet. Immerhin wusste Siegfried Bauer vom Grazer Institut für Geophysik vor rund zehn Jahren, wen er sich da als Assistent in sein Team holte. Keinen jedenfalls, der seine Zeit mit wissenschaftlichen Kleckereien und Zuarbeiten für Vorgesetzte verbringen würde. Und das war gut so, wie etwa die Verleihung des Start-Preises 1998 an den Jungforscher oder sein neues Millionenprojekt stichhaltig belegen.

Kürzlich ereilte Kirchengast übrigens auch noch der Ruf, die Nachfolge seines Mentors auf dem Geophysik-Lehrstuhl anzutreten. Dass er daneben noch die Energie aufbringt, in Graz ein "Wegener-Zentrum für Klima und Globalen Wandel" aufzubauen, in dem die Klimaveränderung mit all ihren sozioökonomischen Auswirkungen interdisziplinär erforscht werden soll, zeugt von einer beträchtlichen Leidenschaft für seine Sache.

Der Preis für dieses berufliche Intensivprogramm: Die Zeit für die Familie muss mit einem extrem strengen Zeitmanagement abgesichert werden. Verständlich, wenn die Gattin dabei manchmal von Eifersucht geplagt wird. Muss sie ihren Mann doch mit einer starken Nebenbuhlerin teilen: "Wir nennen sie Scientia", schmunzelt Kirchengast. "Sie ist unglaublich verführerisch und betörend." Aber "think big" auch hier: "Wenn es für meine Frau einmal sein muss, lasse ich Scientia trotzdem ohne Wimpernzucken stehen." (Doris Griesser/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23. 3. 2003)