Electric Indigo: Eine DJane...

Foto: Electric Indigo

...mit vielen...

Foto: El. Indigo

...Gesichtern.

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Samstagabend im Wiener Café Prückel. Es ist selten, Electric Indigo zu dieser Zeit hier anzutreffen – und nicht an ihrem Arbeitsplatz, den Mischpults und Plattentellern eines der hunderten Klubs zwischen Wien und der großen, weiten Welt. „I am at heart a gentleman“ prangt Schwarz-auf-Weiß von ihrem T-Shirt - ein Spruch von Marlene Dietrich. „Damit kann ich mich total identifizieren“, sagt Susanne Kirchmayer, alias Electric Indigo. „Ich halte sogar manchmal Männern die Türen auf – was die dann wieder komisch finden.“

Electric Indigo, das steht für Techno, Dance Floors und eine tolle Karriere in einem männerdominierten Arbeitsfeld. „Die weiblichen DJs sind nur noch zu wenig präsent, es gibt aber bereits viele tolle Frauen in diesem Geschäft“, sagt Indigo. Diese zu fördern, ist eine ihrer Leidenschaften: Seit 1998 betreibt sie die Datenbank „female pressure“ – „ein Werkzeug, das die Kommunikation der DJanes untereinander fördern und das Networking für Frauen in der Szene vereinfachen soll.“

Back to the roots

Aber zurück zu den Anfängen, Ende der 80er, dorthin, wo es Indigo noch nicht gab, sondern nur Susanne und ihre Liebe zu den Platten und zur Musik: „Ich habe damals im Wiener „Trabant“ aufgelegt – ein kleines Nachtvogel-Lokal, wo die Leute ihre Lieblingsplatten gespielt haben, auf alten Handhebel-Plattenspielern.“ Damals spielte sie noch Jazz, Funk, Soul und Hip-Hop, aber: „Irgendwann hatte ich genug von diesen alten Sachen, mir hat was Neues gefehlt.“ Das fand sie 1989, als sie erstmals Techno in Form von ‚Underground Resistance’ und DJ Rush hörte - da wusste sie, dass das die Richtung war, in die sie wollte. Seither ist Detroit- und Chicago- Techno-Sound ihr Stil.

Erste Kontakte

Durch DJ Hell kam Susanne Kirchmayer 1991 in Kontakt mit der deutschen Techno-Szene in Berlin, wo sie am „Mayday“-Event teilnahm und interessante Leute kennenlernte: „Ich hatte keinen Namen, keinen Ruf und nicht viel Erfahrung, aber ich hab mir gesagt, in einem halben Jahr bist Du selbst dabei.“ Und? „Geschafft hatte ich’s dann schließlich in eineinhalb“, lacht sie.

Übrigens: Woher hat Electric Indigo eigentlich ihren Namen? – „Als ich in meinen Anfängen im Volksgarten auflegte, lernte ich einen Schriftsteller aus Chicago kennen, den bat ich, sich einen guten Namen für mich einfallen zu lassen – das ist sehr wichtig in der Szene. Er fragte mich nach meiner Lieblingsfarbe, ich sagte Blau – und da war er auch schon gefunden.“

Wunsch erfüllt

1993 ging für sie ein großer Wunsch in Erfüllung, als sie eine Stelle im Berliner „HardWax“, einem der weltweit renommiertesten Plattenläden und Kommunikations-Knotenpunkten der Techno-Szene, annahm. „Die hatten die raresten Platten und tolle Kontakte und ich wollte unbedingt dort arbeiten.“ Also übersiedelte sie - mit Schulden in der Tasche („Alles, was ich noch hatte, war meine Kreditkarte – also kaufte ich Lebensmittel eben bei Meinl am Graben ein“) und einem festen Willen und Ehrgeiz im Herzen: „Es war kein Blindflug, als ich mich entschloss, DJ zu sein - ich hatte schon meine Pläne. Das Gefühl ist schwer zu vermitteln, aber ich habe einfach gewusst, es wird gut gehen.“

Bis 1996 blieb sie im HardWax, lernte alles, was sie dort lernen konnte und kostete alle Möglichkeiten, die sich ihr boten aus – tagsüber stand sie im Geschäft, abends im Klub, „bis ich irgendwann einmal merkte, dass ich eigentlich ja auch ein Privatleben hatte. Und ich wollte Routine vermeiden.“ Also zurück nach Wien. Wohin ihr guter Ruf ihr bereits vorausgeeilt war: „In Wien hatten sie mitgekriegt, dass ich in Berlin erfolgreich war, ich war sofort voll integriert – meine Seilschaften haben gehalten und seitdem bin ich sehr mobil.“

Globale Erfolge

Und sehr erfolgreich: In 31 Ländern und 134 Städten in Europa, Nord-Amerika und Asien. Unter der Woche arbeitet Indigo meist in Wien, Freitag bis Sonntag ist sie unterwegs, dazwischen sind Ruhepausen eingeplant. Ihr Reiseplan gleicht dem eines Pop-Stars: Heute Paris, morgen Los Angeles, übermorgen Berlin. „Es ist ein Privileg für mich, an exotische Orte fahren zu dürfen, auf der Welt herumzukommen und etwas zu tun, das ich richtig gerne mache - und das Schöne ist, dass ich überall Gleichgesinnte habe, die Szene ist sehr offen und es ist auch leicht, mit Größen in Kontakt zu kommen.“

Blöde Kommentare

Gibt es auch Hürden, Ärgerliches? – „Was mich nervt, sind die ewigen blöden Kommentare, die eigentlich als Kompliment gemeint sind, wie: „Für eine Frau machst Du das echt gut“, oder „Wow, Du kannst ja sogar mixen“. Erst gestern hat mich ein Typ wieder darauf angesprochen - sowas kann ich nur belächeln.“ Oder dagegen arbeiten – aus solchen Kommentaren heraus ist nämlich auch „female pressure“ entstanden: „Und es war die Antwort darauf, dass ich immer wieder hören musste, es gäbe so wenig Frauen – anscheinend herrscht großer Infobedarf, welche weiblichen DJs es tatsächlich alles gibt.“

Female Pressure und das Warum

Derzeit sind rund 500 Frauen in der Datenbank, das Feedback sei durchaus gut, aber: „Ich muss auch immer wieder langweilige Diskussionen darüber führen, warum ich das eigentlich mache und höre dann meist: ‚Es ist doch nicht das Geschlecht, sondern die Qualität, die zählt’. Aber wenn wirklich alle gleich sind, warum gibt’s dann noch Typen wie den von gestern?“ Sieht sie sich selbst als „Role Model“? – „Für ein paar Frauen habe ich sicher Vorbildwirkung – ich fühle mich jetzt nicht bewusst so, aber ich will Frauen schon dazu motivieren, zu sein, was ihnen Spaß macht.“ Und es liegt ihr viel daran, Neueinsteigerinnen zu fördern - inde sie sie dazubucht, auflegen lässt und ihnen Vorschussvertrauen gibt.

Viele Interessen - viele Gesichter

Neben dem DJ-Dasein hat Susanne Kirchmayer auch noch andere Interessen und viele Gesichter: „Selbst sehe ich mich nicht so – aber es stimmt, wenn man meinen Lebenslauf liest, kann man diesen Eindruck kriegen“, sagt sie. So arbeitete sie zum Beispiel auch beim Radio, dann als Musikproduzentin, als Fernsehmoderatorin mit eigener Musik-Sendung beim Wiener TIV und sie gestaltet Websites – darunter zum Beispiel jene von „indigo:inc“: ein Server für Party- und Multimedia-Events, den sie 1998 startete –, interessiert sich sehr für Neue Medien. Nächstes großes Projekt ist ihr eigenes Label: "Da kommen die Firmen schon von selbst mit Angeboten auf sie zu."

Vor ihrer Karriere als DJane hat Indigo alias Susanne übrigens auch viele Studienrichtungen ausprobiert - und sie auch immer eine Zeitlang ernsthaft betrieben: Architektur an der TU, Industriedesign, Archäologie und – ganz exotisch – Linguistik mit einer Fächerkombination aus Informatik und Künstlicher Intelligenz. Dass sie das nicht fertig gemacht hat, tut ihr heute fast ein bisschen leid: „Da wäre ich jetzt nämlich bereits eine wirkliche Koryphäe auf diesem Gebiet.“ Jetzt ist es eben ein anderes geworden. (isa)