Ex-Präsidentschaftskandidat Karrubi prangert unterdessen Vergewaltigungen an. 

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Teheran/Beirut - Wenn die Revolutionsgarden im Iran einen Prozess gegen die Präsidentschaftskandidaten der Opposition fordern, heißt das vor allem eins: Die Hardliner haben die Samthandschuhe ausgezogen. Zwar blieb nach der Forderung des hochrangigen Kommandanten der Garden am Wochenende zunächst unklar, ob der oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei bereit wäre, einer Inhaftierung von Mir-Hossein Mussavi und Mehdi Karrubi zuzustimmen. Aber sie macht klar, dass Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad zu keinerlei Kompromissen bereit ist.

Die Führung befasse sich im Moment mit ihrer persönlichen Situation, sagt der Iran-Experte Gary Sick, der früher zum Nationalen Sicherheitsrat der USA gehörte. „Sie versuchen, an der Macht zu bleiben - koste es, was es wolle."

Konservative gespalten

Gleichwohl bleiben die Konservativen gespalten. Viele hochrangige Kleriker und Politiker sind besorgt, in welche Richtung sich die Islamische Republik entwickelt. Der Tod des Sohns von einem Berater des Ex-Kommandanten der Garden, Mohsen Rezaie, im Polizeigewahrsam löste bei ihnen Entsetzen aus. Die Reaktion auf den Vorfall könnte erklären, warum Polizeichef Esmail Ahmadi-Moghaddam am Sonntag die Festnahme des Leiters der Haftanstalt Kahrizak bekanntgab. Dort seien Gefangene gefoltert und misshandelt worden. Khamenei hat die Schließung des Gefängnisses angeordnet.

Karrubi schrieb in einem am Montag veröffentlichten Brief an Ex-Präsident Akbar Hashemi Rafsanjani von Vergewaltigungen und Misshandlungen von Oppositionsanhängern in Haft. „Gefangene haben erklärt, dass einige weibliche Häftlinge so schwer vergewaltigt wurden, dass ihre Genitalien verletzt wurden. Andere haben grausam junge Männer vergewaltigt."

Die Uneinigkeit der Elite könnte Mussavi die Chance geben, die Legitimität von Ahmadi-Nejads Regierung infrage zu stellen, sagt Mehrzad Borujerdi von der Syracuse University in New York. „Dass die Regierung Mussavi und Karrubi noch nicht verhaftet hat, lässt darauf schließen, dass sie Angst vor den Folgen hat", glaubt er. Und die Mammutanklagen - von Kritikern als Schauprozesse bezeichnet - dürften dazu dienen, Zweifel unter Ahmadi-Nejads Anhängern auszuräumen, sagt Muhammad Sahimi von der University of Southern California. Es stehen auch Mitarbeiter der französischen und britischen Botschaften vor Gericht.

Obwohl Ahmadi-Nejad weiter Präsident bleibe, sei die Regierung nicht mehr dieselbe wie vor der Wahl, sagt der Experte Sick. „Der Iran könnte sich in eine Art autoritären Staat verwandeln, in dem jede Legitimität durch Unterdrückung ersetzt wird." Verhandlungen mit dem Iran während dieser Zeit wären „hässlich und schwierig" - „aber wir müssten sie vermutlich trotzdem führen, ob uns das gefällt oder nicht". Die USA hoffen auf eine baldige Antwort Teherans auf das jüngste Gesprächsangebot. (Reuters, red, Alistair Lyon, DER STANDARD, Printausgabe, 11.8.2009)