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Als sich Peter Handke einer von Beckett verschmähten Frauenfigur annahm: Nina Kunzendorf und André Jung überwintern als etwas geschwätzige Ehepartner im Salzburger Festspiel-Exil.

Foto: APA/Techt

Salzburg - Erstmals seit 50 Jahren stehen die Zeichen für Herrn Krapp, den scheinbar hoffnungslosen Fall aus Samuel Becketts Monolog Das letzte Band, nicht schlecht. Der alte Schriftsteller, der lieber Tonbänder bespricht, als sich ums soziale Netz zu kümmern, wird von der Theaterliteratur nun überraschend erhört.

Beckett entließ ihn anno 1958 mit einem Haufen sinnlos angehäufter Audio-Tagebücher in eine ungewisse Zukunft. Diesen Spaltbreit Hoffnung nützte Peter Handke und ließ im Auftrag der Salzburger Festspiele endlich Licht in das abgewohnte Theater-Kabuff strömen. Die Verheißungen erfüllten sich in der Uraufführungsinszenierung Jossi Wielers am Landestheater allerdings nicht.

Zentral in Das letzte Band ist die schmerzvolle Erinnerung an die unterlassene Liebe zu einer Frau. Dreimal spult Krapp, der jahrzehntelang Lebensbilanzen auf Tonbändern speicherte, die betreffende Aufnahme von einst ab. Sie malt ihm ein unwiederbringliches Bild von Zweisamkeit aus: Krapp und die Namenlose gleiten im sonnenbeschienenen Boot durch das Schilf. In Handkes Replik Bis dass der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts meldet sich diese von Krapp zurückgewiesene Frau nun zu Wort. Als ein lose an Becketts Entwurf angebundenes Echo.

Es ist nicht die üble Nachrede einer Verschmähten. Im Gegenteil: Handke bringt mit dieser Echo-Stimme (Nina Kunzendorf) die gescheiterte Vision des gemeinsamen Lebens noch einmal aufs Tapet - und schickt dem sentimentalsten unter den Beckett'schen Pessimisten in bester Absicht Hintergrund-Infos hinterher. Sodass dieser (André Jung) in Salzburg große Ohren und Augen macht: Handke greift Motive aus Becketts Monolog auf (Stille, Licht, Tod) und spielt sie leichthändig zurück. Er verschafft den durchaus negativen Gedanken Luft, Auftrieb, Witz.

Dieser Konterpart macht Sinn, weil er die im historischen Gewand des Nihilismus gefangene Figur auf ehrenvolle Art neu bespiegelt. In der Fortschreibung Handkes liegt die Neudeutung.

Jossi Wieler konnte sie mit seinen Schauspielern allerdings nicht einlösen. Ausgerechnet! Ein Regisseur, dessen große Begabung nicht zuletzt die präzise, forschende Abbildung von Sprechweisen ist - um diese geht es bei Beckett wie bei Handke oder Jelinek. Es sind handlungsarme Stücke, die zuallererst von Stimmen getragen werden.

Brabbeln und Säuseln

André Jung entwickelt auf einer kleinen, der eigentlichen Landestheaterbühne vorgelagerten Spielfläche mimische Brabbel- und Säusel-Miniaturen. Umständlich nestelt er in seinem zeitlosen (ewigen) Zimmer am hölzernen Tonbandgerät und rutscht auf einer - nur mehr imaginären - Bananenschale aus. Auf die Bitterkeit dieses ungelebten Lebens antwortet die namenlose Frau Handkes mit Elan.

Die kleine Krapp-Bühne dreht sich für ihr Spiel gleichsam rücklings in die große, nun freigegebene Landestheaterbühne hinein. Nina Kunzendorf nähert sich ihr in Segelturnschuhen wie einem hängengebliebenen Möbel aus fernen Tagen, mit dem Krapp, der anwesend bleibt, verschmolzen zu sein scheint. Mehr als alles andere überzeugt dieses Bühnenkonzept (Anja Rabes), in dem sich die Figuren und das Nichtglücken eines Dialogs bestens ausdrücken. Doch bleibt die Sprache gänzlich unentdeckt. Handkes Text wird abgespult wie das Geplänkel nach einem Ehezwist. Dabei muss man Handkes Sätzen keinesfalls (siehe die Inszenierungen Friederike Hellers) weihevoll begegnen. Sie brauchen aber Beat. Und mit dieser, von fahriger Quasselgestik umrankten Rede fällt der Abend. Er kommt bleischwer zu liegen. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/Printausgabe 11.8.2009)