Željko Peratović (re.) auf einem Archivfoto mit dem früheren kroatischen Regierungschef Josip Manolić, der im Prozess um die Kriegsverbrechen von Gospić als Zeuge der Anklage aussagte.

Foto: privat

Jetzt durchleuchtet er als Blogger dubiose Netzwerke - und erhält Polizeibesuch.

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"Wir haben hier eine Anzeige gegen Sie", sagte der freundliche Polizist an der Haustür. "Sie sollen Ihr Kind unsittlich angefasst haben." Željko Peratović hat vom Krieg berichtet. Später wurde sein wichtigster Informant, ein guter Freund zudem, in die Luft gesprengt. Aber der schlimmste Horror war der Moment, als er an seiner Haustür in Zagreb dem freundlichen Polizisten ins Auge sah. Denn den Krieg und den Mord an seinem Freund erlebte der heute 42-Jährige noch als Journalist. Als die Polizei bei ihm klingelte, war er nur noch Blogger. Ein Unterschied, der sehr wichtig werden kann.

Željko Peratović ist in Kroatien nicht irgendwer. Er war der Mann, der das Massaker von Gospić publik gemacht hat. Noch als Reporter der Wochenzeitung Globus schrieb er über die Gräueltaten in der beschaulichen kroatischen Kleinstadt, wo 1991, zu Beginn des Krieges, reihenweise Serben aus ihren Häusern geholt und im Wald erschossen wurden. Nicht alle Kroaten mochten zu den Verbrechen schweigen. "Ich bin nicht in den Krieg gezogen, um Omas umzubringen" , sagte sich ein kroatischer Soldat und wurde zum Kronzeugen. Peratović freundete sich mit dem mutigen Aussteiger an. Aber noch bevor der Soldat aussagen konnte, tötete ihn im Februar 2000 eine Autobombe.

Peratović aber wurde bei Globus entlassen. Seit vier Jahren ist er nun arbeitslos und passt auf die fünfjährige Tochter auf, während seine kranke Frau meistens in der Schweiz weilt. Und bloggt.

Die zentrale Rolle in den langen Geschichten auf Peratovićs Website spielt immer wieder ein Mann: Tomislav Karamarko. Der gehört in Kroatien eigentlich zu den "good guys" . Als der heute 50-Jährige im letzten Herbst nach einer erschütternden Serie von Mafiamorden zum Innen- und damit Polizeiminister berufen wurde, gab es viel liberalen Applaus.

Peratović aber fragte sich, was der hohe Polizist eigentlich getan hatte, als seinerzeit sein Freund in die Luft gesprengt wurde. Er leuchtete in seinem Blog die Geschäfte der Sicherheitsfirma aus, die der Hoffnungsträger zeitweilig betrieben hatte: Wen hatte er da geschützt? Wer waren die Miteigentümer? Noch als Karamarko Geheimdienstchef war, klingelte es bei Peratović schon einmal an der Tür: "Verdacht auf Geheimnisverrat." Ein Trupp von acht Polizisten durchsuchte die bescheidene Wohnung, griff sich die Laptops, beschlagnahmte die gesamte Dokumentation und nahm Peratović mit zum Verhör. Im Jahr darauf zeigte der Geheimdienstchef den Blogger persönlich an - wegen "Ausstreuens von bekanntermaßen falschen Gerüchten mit dem Ziel, eine größere Zahl Bürger zu beunruhigen" . Als die Anzeige zur Verhandlung kam, war Karamarko schon Minister und führte vor Gericht als "beunruhigte Bürger" seine weitere Verwandtschaft an. Die Justiz vergrub das noch immer offene Verfahren in den Tiefen des Gerichtswesens. Als es jetzt wieder an der Tür klingelte und ein Polizist ihm mit der anonymen Anzeige wegen Kindesmissbrauchs kam, witterte Peratović wieder dessen Dienstherrn dahinter. Auch wenn er das so nicht sagt. (Norbert Mappes-Niediek aus Zagreb/DER STANDARD, Printausgabe, 6.8.2009)