Christlich-Sozialer Khol, Atheist Alm: Suche nach Gemeinsamkeiten.

Laizismus-Initiator Alm zu Khol: "Die Bringschuld für einen Gottesbeweis liegt bei den Gläubigen."

Altpolitiker Khol: "Habe mich immer als waschechten katholischen Konservativen gesehen."

Andreas Khol wollte Gott schon mal in die österreichische Verfassung schreiben lassen, Niko Alm sieht in den Privilegien der Religionen eine wenig demokratische "Kategorisierung der Menschen nach Weltanschauungen". Der Ex-Nationalratspräsident bezeichnet sich als "waschechten katholischen Konservativen", für Werbe-Fachmann Alm spricht hingegen kaum etwas für die Existenz Gottes. Khols These: Der Mensch findet nur durch den Glauben an Gott ausreichend Werte vor, die ihm helfen, die Herausforderungen der Gegenwart zu meistern. Laut Alm entstanden diese Grundwerte durch Aufklärung und Vernunft. Ein Gespräch über Glaube, Nicht-Glaube und unerwartete Gemeinsamkeiten. Es moderierten Saskia Jungnikl und Lukas Kapeller.

Khol: Auf der Alm, da gibt's ka Sünd'. Ihr Name ist Programm. Ich danke Ihnen für die Atheisten-Kampagne.

Alm: Gerne.

Khol: Ich finde das eine großartige Geschichte. Ich muss Ihnen auch gratulieren, was Sie mit diesem Aktiönchen erreicht haben. Sie haben ja eigentlich nicht viel Geld gehabt.

Alm: Ganz genau.

Khol: Da haben Sie doch eine interessante Öffentlichkeit mobilisieren können. Und ich finde das gut, dass über Gott geredet wird. Und zwar über den Schöpfer, nicht über Karel Gott, dem Sie zum Geburtstag gratulieren.

Alm: Am selben Tag wie Sie!

Khol: Ja, am Tag der Französischen Revolution.

Alm: Das finde ich sehr gut, dass Sie das auf diese Weise wahrnehmen. Das ist nämlich genau die richtige ...

Khol: Da hab' ich ein Glück gehabt!

Alm: ... nämlich, dass darüber gesprochen wird. Wir sind ja keine Gegen-Missionare. Es ist unser größtes Anliegen, dass Religion wieder ein Thema wird. Sie ist nämlich ein Tabu-Thema in der Gesellschaft.

derStandard.at: Inwiefern ein Tabu-Thema?

Alm: Beginnen wir einmal bei den Gesetzen. Dass es sogar einen eigenen Schutzparagraphen für die Herabwürdigung religiöser Gefühle gibt, ist nur die Spitze des Eisbergs. Sehr oft verschanzen sich Menschen hinter dem Thema Religion. Das ist etwas sehr Persönliches, über das öffentlich nicht geredet werden soll, das nur im Privaten stattzufinden hat. Wir wollen aber, dass darüber öffentlich gesprochen wird. Das Tabu stört uns weniger als das Paradoxon, dass Religion gleichzeitig sehr großen Einfluss in Österreich hat, auch auf die Gesetze.

Khol: An sich tun Sie mir ja als Atheist leid. Sie repräsentieren vier Prozent der Bevölkerung. Dass 96 Prozent sich irren, kann ich mir nicht vorstellen. Nicht einmal als ÖVP-Politiker, der es ja gewohnt ist, mit Minderheiten zu arbeiten. Ich finde ein Zitat sehr treffend: "Wer Gott leugnet, schnitzt sich ein eigenes Götzenbild." Es ist leider nicht von mir. Der Atheist leugnet die Existenz Gottes: In der Tat ist Gott nicht beweisbar, aber es ist auch nicht beweisbar, dass es keinen Gott gibt. Und das ist Ihr Problem.

Alm: Ich find's nett, dass ich Ihnen leid tue, aber das muss gar nicht sein. Die Mehrheit muss auch nicht immer Recht haben. Es geht uns auch nicht darum, einen Gottesbeweis zu führen oder zu widerlegen. Die Zeit der Gottesbeweise ist längst vorbei. Ich möchte Ihnen ein Zitat von Immanuel Kant entgegenhalten: Die Existenz kann nicht durch Logik allein bewiesen werden, dazu braucht es die Empirie. Das heißt, wir stehen da vor einem Beweisproblem, wo die Bringschuld bei den Gläubigen liegt. Die Behauptung "Es gibt keinen Gott" kann leicht widerlegt werden – indem man die Existenz nachweist. Aber für die Nicht-Existenz kann schwer ein logischer Beweis erbracht werden.

Khol: Wissen Sie, Karl Popper, den Sie jetzt zitiert haben, ist für Sie natürlich ein ganz schlechtes Beispiel. Weil Popper ja nicht vom Beweisen ausgeht, sondern vom Falsifizieren.

Alm: Ganz klar.

Khol: Und Sie können doch nicht falsifizieren.

Alm: Nein, nein. Das ist nicht mein Problem.

Khol: Das ist Ihr Problem. Ich kann auch nicht Ihre These, dass es keinen Gott gibt, falsifizieren.

Alm: Oja, Sie können den Beweis der Existenz bringen.

derStandard.at: Warum tut Ihnen Herr Alm leid?

Khol: Die Menschen sind ja seit Anbeginn mit den drei großen Fragen konfrontiert: Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin gehe ich? Auf diese Existenzfragen hat der Atheist keine Antwort. Für ihn ist der Mensch ein Bündel von Dingen. Gott stiftet Sinn, er gibt Hoffnung. Gott ist die Liebe in all ihren Formen: Agape, Caritas, Amor. Und die Menschen, die an Gott glauben, wollen ja an Gott glauben, weil sie eben diese Sinnstiftung brauchen und nicht in diesem grausamen All ohne Hilfe, ohne Orientierung leben müssen.

Alm: Natürlich hat der Atheist auf all das Antworten, zum Teil braucht es auch keine endgültigen Antworten. Vieles kann ganz einfach naturwissenschaftlich erklärt werden.

Khol: Papst Benedikt XVI. hat sich ja mit Evolution und Glaube auseinandergesetzt, auch Christoph Kardinal Schönborn. Der Sukkus für mich ist: Die Evolution verläuft nach Naturgesetzen, aber wer die Rationalität dieses Ablaufs begründet hat, das ist die letzte Frage, und die können die Atheisten nicht beantworten. Irgendwer ist der Schöpfer dieser Rationalität, und ich glaube zum Beispiel, dass Beethovens 9. Sinfonie kein Zufallsprodukt irgendwelcher evolutionärer Konstellationen sein kann, sondern das muss gewollt sein.

Alm: Da bin ich doch der Meinung, dass das hinreichend wissenschaftlich erklärt ist und sehr wohl als Zufallsprodukt dargestellt werden kann. Ich habe aber sogar ein Zitat von 1993 von Ihnen gefunden: "Staat und Gesellschaft sind heute in Zeiten der Emanzipation und des Werte-Globalismus weder bereit noch in der Lage, solche Werte vorzugeben." Das ist aus dem STANDARD.

Khol: (lacht) Stimmt jedes Wort. Goldene Worte in einer rosaroten Zeitung.

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Alm: Sind ja auch Ihre Worte, aber da muss ich Ihnen trotzdem entschieden widersprechen. Die Werte kommen nicht aus dem Christentum, sondern es sind menschliche Werte, die sich evolutionär entwickelt haben. Viele dieser Werte sind von der Aufklärung gerade gegen die Kirchen erstritten worden. Wenn es um freie Meinungsäußerung geht, um Laizität, um Toleranz. Alle diese Dinge stehen doch nicht unbedingt in einer christlichen Tradition. Wenn Sie von Werten reden, müssen Sie auch das, was das Christentum an Überlieferung bringt, in seiner Gänze verstehen. Da gibt es in der Bibel auch Stellen, wonach Homosexualität mit dem Tod bestraft werden soll.

Khol: Wenn ich die Bibel richtig kenne, dann beziehen Sie sich auf das Jesu-Wort, dass wer einem dieser Kleinen etwas antut, für den wäre es besser, er wäre mit einem Mühlstein um den Hals ...

Alm: ... das meine ich zwar nicht.

Khol: ... das ist eines der Zitate. Das ist eine sehr zeitbezogene Aussage, die kein Grundstein des Christentums ist. Wenn Sie in den Katechismus schauen und die Aussagen von Kardinal Schönborn ansehen, so gibt es Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlich liebenden Menschen. Sie werden nur zur Keuschheit aufgefordert. Das sind aber keine Todesurteile, wie Sie meinen.

Alm: Gemeint habe ich das Buch Mose: "Wenn einer bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Greuel ist und sollen beide des Todes sterben."

Khol: Das ist das Alte Testament. Das ist also nicht die Frohbotschaft Jesu Christi. Ich würde sagen: 1:0.

Alm: Von mir aus gerne. Das macht nichts, ich muss mich mit diesen Dingen auch nicht im Detail auskennen. Natürlich sprechen wir beide von denselben Werten. Ich weigere mich nur, sie als christliche Werte zu bezeichnen, in dem Sinne, dass sie ausschließlich aus dem Christentum kommen und nur dort ihre Wurzeln haben.

Khol: Wenn Sie sich die Europäische Wertestudie anschauen, stellen Sie fest, dass in ganz Europa Religion ein Thema ist und immer mehr eines wird. Ernst-Wolfgang Böckenförde, ein deutscher Verfassungstheoretiker, hat das Paradoxon formuliert, dass die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung auf Grundwerten basiert, die sie nicht selber in der Lage ist hervorzubringen. Vieles von Staat und Demokratie ist eben überhaupt nicht vorstellbar ohne diese Wertvorstellungen, die unter anderem aus dem Kategorischen Imperativ, aus dem Naturrecht abgeleitet werden können. Der größte Wertestifter sind aber die Religionen.

derStandard.at: Welche ethischen Grundsätze könnten für Nicht-Gläubige wie Sie, Herr Alm, denn verbindlich und allgemein gültig sein?

Khol: Er wird Ihnen mit dem Kategorischen Imperativ von Kant antworten: Handle stets so, dass die Maxime deines Wollens Grundlage eines allgemeinen Sittengesetzes sein könnte. Das ist die in der Vernunft des Menschen begründete Moral und Ethik – die ich akzeptiere.

Alm: So könnte ich antworten. Ich könnte auch antworten, dass offenbarte Gebote absolut sind und Ethik etwas Relatives ist, das jeweils in seiner Zeit zu sehen ist und das darauf abstellt, dass möglichst viele Menschen sich unter diesen Handlungsnormen wiederfinden. Wir sind aber, glaube ich, beide keine Ethiker oder Moraltheologen.

Khol: Was die Werte betrifft, haben Sie insofern Recht, dass natürlich die katholische Kirche auch Irrtümer begangen hat. Wie Franz Kardinal König gesagt hat, ist die Kirche ein Werk von Menschen, und daher menschelt es in der Kirche. Ich habe als Jurist in meinen Menschenrechtsbüchern auch darauf hingewiesen, dass viele der Menschenrechte gegen die katholische Kirche erstritten wurden, aber sie sind ohne die Position auf der einen Seite überhaupt nicht denkbar. Man muss das Christentum natürlich auch zur Gänze sehen, Herr Alm.

Alm: Bin ich voll dafür.

Khol: Für mich ist der historisch grundlegende Beginn der Moderne die aus dem Christentum erfließende Abschaffung der Sklaverei.

Alm: Da gibt es aber einige Bibelstellen, die etwas anderes nahelegen.

Khol: Jaja, aber schauen Sie: Die Bibel ist ein Dokument der Zeit.

Alm: Ist sie nicht das "offenbarte Wort Gottes"?

Khol: Nein, die Bibel ist die Frohbotschaft, aufgeschrieben hundert Jahre nach dem Tod Christi. Natürlich ist die Bibel in sich auch widersprüchlich. Aber für die Abschaffung der Sklaverei war der Gott des Christentums der entscheidende Funke. In der Bibel heißt es: Und Gott schuf den Menschen nach seinem Abbild. Das bedeutet auch die Gleichberechtigung der Frau.

Alm: Viele dieser Werte sind in allen möglichen Religionen bei vielen Völkern im Laufe der Evolution gleichzeitig und parallel entstanden, ohne dass es eine Offenbarung gebraucht hätte, ohne dass es einen Gott gibt, der zehn oder 17, wie viele Gebote auch immer diktiert.

Khol: Zehn, zehn!

Alm: Also ich glaube, wir sind uns einig, dass diese Werte natürlich auch im Christentum zu finden sind, aber nicht kausal ausschließlich aus dem Christentum kommen. Das Schutzgebot für die Frau finde ich insofern komisch. Wir haben Gebot Nummer Zehn: "Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Rindvieh, Esel, Schwein und Ehefrau." So in etwa heißt es da sinngemäß ...

Khol: ... ich würde Sie bitten, respektieren Sie meine Überzeugung und verhöhnen Sie mich nicht mit Schwein, Esel und Frau. Bis jetzt waren wir sehr fair miteinander. "Du sollst nicht begehren ..." ist das siebente Gebot.

Alm: Eines der letzten beiden Gebote auf jeden Fall gebietet auch, nicht zu begehren des Nächsten Haustiere und Frauen. Das heißt dort so, das hat nichts zu tun mit fehlendem Respekt. Ich würde Sie bitten, die Gebote in der entsprechenden Langversion nachzulesen.

Der christliche Gott ist jedenfalls ein sehr personalisierter, und die Entpersonalisierung ist in der heutigen Zeit weit fortgeschritten. Die Frage ist, ob er im Hier und Jetzt interveniert. Ich glaube, er tut das nicht. Das wäre zumindest teilempirisch nachzuweisen. Inwieweit soll ein Wesen, an das man nur glaubt, das aber keinerlei Wirkung im Diesseits hat, zum Beispiel in aktuelle Gesetzeslagen eingreifen? Glauben Sie, dass Staat und Kirche ausreichend voneinander getrennt sind?

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Khol: Die Säkularisierung, die Zurückdrängung der Religion, ist, glaube ich, ein durchaus zeitbedingtes Phänomen. Ich denke, dass sich immer mehr die Bedeutung der Religion als Wertestifter durchsetzt, und man daher von einer Trennung von Kirchen und Staat zu einer Partnerschaft zwischen beiden kommt.

derStandard.at: Und reicht die Trennung aus?

Khol: In Österreich haben wir eine ausreichende Trennung: Von Staats wegen hat die Religion bei der Gesetzgebung nichts verloren, aber die einzelnen Politiker, die Vorschläge machen und abstimmen, handeln natürlich nach ihrem persönlichen Gewissen. Und dabei gehe ich davon aus, dass eben religiöse Politiker die Wertvorstellungen ihrer Religion in die Gesetzgebung einbringen. Ich sage nicht: Es gibt eine katholische Politik, sondern allenfalls Politiker, die von katholischer Verantwortung geprägt sind.

derStandard.at: Sind gläubige Politiker die besseren Politiker?

Khol: Für mich sind gläubige Politiker genauso an den Früchten ihrer Arbeit zu messen wie nichtgläubige Politiker. Ich bin generell ein Anhänger des Pluralismus. Friedrich II. hat gesagt: In meinem Land kann jeder nach seiner Fasson selig werden. Er hat die Gleichstellung der drei großen Weltreligionen vorweggenommen: Judentum, Christentum, Islam. Aber da gibt's dann noch den Buddhismus und Hinduismus und was immer auch. Also was ich sagen will: Die Grundwerte sind nicht etwas spezifisch Christliches, sondern die Wertestiftung geschieht durch alle Religionen, wobei mir nicht alle Grundwerte aller Religionen gefallen, aber das ist eine Geschmacksfrage.

Alm: Das wirft eine ganz naive, aber notwendige Frage auf: Wenn es also mehrere Götter gibt und mehrere Wertebündel, dann kann nicht jedes davon richtig sein.

Khol: Habe ich das behauptet? Der Satz von der allein seligmachenden katholischen Kirche stammt aus dem 19. Jahrhundert. Der gilt nicht mehr.

Alm: Das war keine Unterstellung, dass Sie dieser Ansicht sind. Ich bin überhaupt gar nicht so felsenfest überzeugt, dass Sie wirklich ein Katholik reinsten Wassers sind.

Khol: (lacht) Damit fahren Sie mir jetzt aber direkt ans Gestell, muss ich wirklich sagen. Ich war immer stolz darauf, ein waschechter katholischer Konservativer zu sein.

Alm: Ach, Sie sind gar nicht so konservativ. Ich will aber auf die Frage der Laizität zurück, die Sie mir nicht ausreichend beantwortet haben. Es gibt in Österreich 14 gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaften. Die sind privilegiert. Völlig ungeachtet dessen, dass ich Atheist bin: Warum kategorisiert der Staat Menschen nach Weltanschauung, wo er das in vielen anderen Bereichen nicht tut? Das ist etwas, das ich nicht verstehe.

Khol: Also, der Glaubens- und Gewissensfreiheit steht das Recht der Religionsausübung in der Verfassung gleichberechtigt gegenüber. Die stehen in einem Spannungsverhältnis, das der Gesetzgeber zu lösen hat. Das Recht auf Religionsausübung findet sich auch in allen internationalen Menschenrechtsdokumenten, und das ist die Begründung, warum der Staat hier in Österreich alle religiösen Gruppen mit Selbstverwaltung und finanziellen Mitteln ausstattet und auch den Religionsunterricht fördert. Wenn die Atheisten sich zusammenschlössen und sagen, wir sind eine Bekenntnisgemeinschaft, hätten sie genau die gleichen Rechte. Dann wäre natürlich die These, dass die Atheisten sich ihre eigenen Götzen schnitzen, perfekt unter Beweis gestellt.

Alm: Ich bin der Meinung, dass diese Privilegien gar nicht bestehen sollten. Andere finden wieder, es sollten noch viel mehr sein. Es gibt aber immer eine Restmenge, die so klein gar nicht ist, die über diese nicht verfügt ...

Khol: Die Religionsgesellschaften erbringen aber die Sozialleistungen für Junge, Alte, Kranke, egal welcher Konfession. Das ist die Begründung.

Alm: Dass es humanitäre Einrichtungen von Konfessionslosen und Nicht-Gläubigen gibt, wollen Sie aber nicht bestreiten, oder?

Khol: Nein, überhaupt nicht.

Alm: Ich begebe mich jetzt auf feindliches Terrain und komme noch einmal zurück auf meine ketzerische Bemerkung, ob Sie überhaupt durch und durch Katholik sind ...

Khol: Werden Sie mir jetzt eine confessio fidei (Glaubensbekenntnis, Anm.) abverlangen?

Alm (lacht): Kann ich natürlich. Glauben Sie wirklich an die Wandlung von Wein in Blut?

Khol: Ja, ich glaube an die Transsubstantiation (die Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi, Anm.).

Alm: Das mache ich natürlich nicht, so gemeine Fragen zu stellen.

Khol: Können Sie ruhig, ich bin auf alles vorbereitet.

Alm: Ich will auf etwas ganz anderes, auf die Laieninitiative von Herbert Kohlmaier, Erhard Busek und Ihnen. Sind Sie überhaupt wirklich Katholik? In Ihrer Verantwortung als Moderater stellen Sie sich den Fundamentalisten gegenüber und wollen das System reformieren. Das ist doch ein grober Widerspruch. Ihre Forderungen widersprechen ja eigentlich dem Vatikan. Auf der einen Seite sagt man, es gebe von Gott Offenbartes, einen Vertreter Gottes auf Erden, den Joseph Ratzinger, und dann gibt es eine Laieninitiative, die sagt: "Nein, das stimmt alles nicht, wir würden gerne folgende Änderungen anregen!" Habe ich den Sachverhalt halbwegs richtig beschrieben?

Khol: Sie haben ihn so beschrieben, wie ihn die Jetti-Tant' zusammenfassen würde. Der Zölibat, um den es bei unserer Laieninitiative geht, ist nicht göttlichen Rechts, kein Grundwert des Glaubens, sondern ist ein einfaches kirchliches Gebot, das der Papst nach Konsultationen der Bischofssynode durch einen Federstrich ändern könnte. Nach dem Codex Iuris Canonici, dem kirchlichen Gesetzbuch, sind die Laien dazu berechtigt und sogar dazu verpflichtet, ihren Bischöfen Vorschläge zu machen.

Nichts, was wir hier tun, ist etwas, das uns zu "unrichtigen" Katholiken macht, sondern eher sind wir sehr verantwortungsbewusste Katholiken, die ihre Meinung einbringen. Und wenn es dieser Papst nicht machen wird, macht es vielleicht der nächste.

Alm: Wenn Sie sich auf denen einen Punkt, den Zölibat, beschränken, ist das okay. Alles, was die Kirche vernünftiger macht, ist natürlich auch für Leute, die nichts mit ihr anfangen können, zu begrüßen. Für Außenstehende ist trotzdem ein bisschen unlogisch: Es gibt einen unfehlbaren Papst, und dann kann er mit einem Handstreich den Zölibat der Vergangenheit angehören lassen. Genauso wie es mit der Vorhölle für Ungetaufte unlängst geschehen ist.

Khol: Die Hölle steht in keiner Bibel. Die ist bloß ein Konstrukt, um den Leuten Angst zu machen.

Alm: Da bin ich fast ein bisschen still, wenn ich das aus Ihrem Mund höre.

derStandard.at: Es gibt in Österreich eine große Tradition der Ökumene, des Dialogs zwischen den Religionsgemeinschaften. Bräuchte es nicht schon lange einen grundsätzlichen, vorurteilsfreien Dialog zwischen Gläubigen und Nicht-Gläubigen?

Khol: Ich muss sagen, Österreich hat mit zwei Kardinälen in relativ kurzen Abständen großes Glück. Sowohl Kardinal König als auch Kardinal Schönborn sind absolut dialogbereite Menschen – auch mit Atheisten. Man sollte den Dialog führen, nur um den anderen kennenzulernen. Ich habe heute nicht versucht, den Herrn Alm zu missionieren.

Alm: Ich sehe das im Wesentlichen ganz genauso. Es gibt kein Problem mit 95 Prozent der Politik und der trivialen Dinge des Alltags. Über das meiste kann man sich abseits des Glaubens ganz gut verständigen. Ich will nur nicht, dass es klingt, als wäre es ein Geschenk der Kirche, wenn sie auch mit Atheisten redet. Auch wenn der Bevölkerungsanteil unterschiedlich ist, halte ich beide für demokratisch gleich legitime Weltanschauungen.

Khol: Die Legitimität einer Weltanschauung hat mit Prozent überhaupt nichts zu tun. Ich war immer schon der Meinung, dass die atheistischen und die christlichen Fundamentalisten Extreme darstellen, die einander berühren. Die moderaten Atheisten, wie Sie einer sind, und die moderaten Christen, wie ich glaube, einer zu sein, haben eine ganz vernünftige Gesprächsbasis. (Saskia Jungnikl und Lukas Kapeller, derStandard.at, 5.8.2009)