London - Einen Einblick in die britische Kriminalgeschichte gibt eine neue Datenbank, die im Internet abrufbar ist. Die Datensammlung umfasst 1,4 Millionen Dokumente zu Prozessen, Urteilen und vollzogenen Strafen im 18. und 19. Jahrhundert. Darunter ist auch die Akte des legendären schottischen Arztes Thomas Neill Cream, wie Olivier Van Calster mitteilte, einer der Macher der Website Ancestry.co.uk, welche sich generell mit Ahnenforschung beschäftigt und ihr Angebot nun um diesen Spezialaspekt erweitert hat. Der wegen mehrfachen Giftmords verurteilte Thomas Neill Cream hatte vor dem Tod durch Erhängen 1892 behauptet, der gefürchtete Serienmörder Jack the Ripper zu sein. Das steht jedoch im Widerspruch dazu, dass er schon im Gefängnis saß, als einige der grausamen Morde geschahen. Auch Dokumente über Roderick McLean sind nachzulesen, welcher im ausgehenden 19. Jahrhundert auf Schloss Windsor einen Anschlag auf Königin Victoria verübte.

Laut Van Calster ist die Datenbank aber vor allem für Sozialhistoriker von großem Wert, denn sie enthalte viele ausführliche Informationen über Verbrechen und das Justizsystem in England und Wales zu einer Zeit großer Armut und Veränderungen. Zugänglich sind unter anderem auch die Hintergründe von mehr als 10.000 Hinrichtungen, darunter die eines erst 14-Jährigen Burschen. Die Todesstrafe wurde in der damaligen Zeit schon für relativ kleine Vergehen verhängt, wie etwa den Diebstahl von mehr als fünf Shillings (heute etwa 35 Euro), von Zuchttieren oder für das unerlaubte Fällen von Bäumen. Auch das nächtliche Herumstreunen mit geschwärztem Gesicht wurde mit dem Tode bestraft - die Gerichte setzten voraus, dass nur Einbrecher eine solche Tarnung nutzten.

Die Daten belegten, dass Verbrechen und deren Bestrafung immer schon ein kontrovers diskutiertes Thema waren, sagte Van Calster. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seien Hinrichtungen durch den Strang ein gesellschaftliches Ereignis gewesen, für das Menschen von weitem anreisten und Reiche sich Balkone mieteten, um es besser sehen zu können. Gleichzeitig zeigten die Dokumente, dass Kriminelle auch "in weniger kultivierten Zeiten" schon über einige Kreativität verfügten. (APA/red)