Eine Hausruckführerin, die auch für die Sauberkeit des fahrbaren Untersatzes zuständig ist: Maria Hofstätter als moldawische Asylantin in Franzobels "A Hetz".

 

Foto: Reinhard Müller

... durch die Zurichtungen des Asylantenalltags.

Hausruck - Eigentlich wollte das Theater Hausruck die Geschichte der Familie Zogaj auf die Bühne bringen. Doch Autor Franzobel entschied sich dafür, den Fall Arigona nicht vor dessen Abschluss zu verarbeiten. Um Migration sollte es aber dennoch gehen. Nach den Aufführungen von Hunt und Zipf wollte man von der Zeitgeschichte in die Gegenwart schwenken. Doch auf dem geschichtsträchtigen Boden des Hausrucks ist das nicht so einfach. Die historische Komponente ließ Franzobel, Regisseur Georg Schmiedleitner und Intendant Chris Müller nicht los. Das schöne Ergebnis: Migration wird mit einem geglücktem Ortsbezug greifbar. (Eine Textvariante erschien im Standard-Album.)

Den formalen Rahmen für A Hetz bildet eine hektische Busfahrt über den Hausruck. Gemütlich soll sie nicht werden, dafür aber sauber: Die Busse müssen blitzen, wofür der im korrekt gebügelten Blaumann steckende Hermann (Franz Froschauer) zuständig ist. Da und dort ist noch Hand anzulegen, die moldawische Asylantin Maria (Maria Hofstätter) soll das erledigen. Fortan begleiten die beiden die Fahrt, ebenso wie die Hausruckführer, die das Publikum mit klassischen Touristen-Infos versorgen, aber auch aus Thomas Bernhards Wolfsegg-Abrechnung Auslöschung zitieren.

Die erste Station ist Holzleithen. Im dortigen Arbeiterheim wurden am 12. Februar des Bürgerkriegsjahres 1934 vier Schutzbundsanitäter erschossen. Mit tschechischem Akzent weist Bergmann Trienko (Oscar Blaha) auf die Arbeitsmigranten unter den Opfern hin, bringt regionale Zeitgeschichte und das Thema Fremdsein aufs Tapet. Weniger jovial vermittelt man darauf im Gemeinderatsaal die migrantische Gegenwart: In den Kojen eines simulierten Asylheims verkörpern Laienschauspieler Flüchtlingsschicksale.

Intensives Wechselspiel

Dass Teile des Abends keiner Textvorlage folgen, sondern aus der Improvisation des Ensembles entstanden sind, spiegelt sich in der Unmittelbarkeit des Geschehens wider. Wenn die Polizeitruppe in aggressivem Stakkato die Ablehnung der Asylansuchen verkündet, ist man wieder ganz beim Autor. Das Wechselspiel funktioniert, es lädt die Szene auf. Draußen vor der Tür lässt derweil Hermann Maria wissen, dass Deutsch Primat hat - als Sprache, als Kultur, als Wissen um die Heimat.

Zurück im Bus, darf man sich dann selbst am Staatsbürgerschaftstest versuchen. Na, wann war die Zweite Türkenbelagerung? Die Beklemmung steigert sich. Die Geschichte von der Bergbaudirektion Thomasroith, die mittels Spendenaktion angekauft und abgerissen wurde, bevor sie ein Asylheim werden konnte, bleibt wie ein Brocken im Hals stecken.

Dennoch spitzt sich das Geschehen dramaturgisch weiter zu, was in eine hart an der Grenze zum Pathos schrammende Show rund um die "Arme der Woche" mündet. Auf der Bühne des Arbeiterheimes Thomasroith rittern Migrantinnen um die Gunst des Publikums und landen dann doch nur auf dem vorgegebenen Weg - dem Straßenstrich. Auch die Auftritte von Maria und Hermann werden intensiver: Während die Putzfrau zur Kassandra mutiert, flankiert von zwei hundgewordenen Rachegöttinnen, plädiert Hermann, Dantons Tod zitierend, für das Durchsetzen der Gesellschaftsmoral mit Gewalt.

So weit, so gut. Als dann aber noch Attac-Chef Christian Felber in der Barbarakirche eine Globalisierungspredigt abhält und Klaus Werner-Lobo eine Brandrede schwingt, droht die Angelegenheit auszuufern. Mit einer poetischen Schlussszene gelingt zuletzt doch noch ein stimmiger Abschluss.

Auf Reisen begeben sich noch weitere Produktionen der Theaterlust2 von Linz09: Die Produktion Siebenundzwanzig bewegt sich mit ebendieser Buslinie durch Linz, und die Tour-Guides des australischen Back to Back Theatre führen zusammen mit lokalen Protagonisten durch die Linzer Innenstadt. (Wolfgang Schmutz / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.7.2009)