Die Identität, die aus der Küche kam: Clare Goodwins "Hazel", 2009.

Foto: UBR

Wer in den 1970er-Jahren aufgewachsen ist, überdies noch mit Mobiliar aus ebendieser Zeit, wird die abstrakten geometrischen Porträts von Clare Goodwin auf einer sehr emotionalen Ebene verstehen können.

Ulrike Reinert hat der britischen Künstlerin und Wahl-Zürcherin Goodwin eine Einzelausstellung gewidmet. Gezeigt werden einige ihrer Hard-Edge- und an Mondrian erinnernde Farbfeldmalereien, die statt Titeln Namen tragen wie Hazel, Joan und Bob oder Doug and Wendy.

So abstrakt, wie man zunächst annimmt, sind Goodwins Acrylbilder jedoch nicht. Die Künstlerin greift auf reales Interior-Design zurück: auf Küchenfronten, Fliesenmuster, Arbeitsplatten und allerlei anderes Design aus jenem farbenfrohen Jahrzehnt, in dem die Künstlerin 1973 auch geboren ist. Die Zeit des Turbokapitalismus, der Thatcher-Ära und der Falkland-Krise in Großbritannien manifestieren sich bei Goodwin in den kleinsten privaten Einheiten, der Küche als Inbegriff eines häuslichen Nestes. Sie reduziert Zeit und Raum auf glatte zweidimensionale Muster, Oberflächen und Formen und entwickelt daraus, auf das Raumgefüge Rücksicht nehmend, ihre personifizierten "geometrischen Kompositionen, welche, ohne nur ,retro' zu sein, einen Widerklang von Personen der 1970er evozieren".

Goodwin komprimiert in ihren Porträts das Gefühl eines Jahrzehnts in hygienisch sauberen Leinwänden: Es sind abstrahierte Bilder eines Familienalbums, die jedoch jegliche Gefühle wärmender Nostalgie kalt abzuschrecken wissen. (kafe / DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2009)