Rorschach, Figur aus Watchmen, mit der namensgebenden Maske

Foto: Warner Bros. Entertainment Inc

Seit fast 90 Jahren wird der sogenannte Rorschach-Test in Psychiatrie und Psychoanalyse eingesetzt. Indem Menschen mehrere Tintenklecksmuster deuten, sollen Rückschlüsse auf ihre Persönlichkeit möglich sein. Der Test, entwickelt von dem Schweizer Psychiater Hermann Rorschach, ist längst Teil der Populärkultur geworden. In der kürzlich verfilmten Graphic Novel "Watchmen" etwa gibt es eine Figur namens Rorschach, die eine Maske mit den namensgebenden Tintenklecksen trägt. Das alles können Interessierte auf Wikipedia nachlesen. Doch gerade Artikel der freien Enzyklopädie sind nun in Verruf geraten, den Rorschach-Test zerstört zu haben.

Kein Urheberrecht mehr

Stein des Anstoßes ist, dass auf Wikipedia die zehn originalen Tintenklecksmuster veröffentlich worden sind, zusammen mit den häufigsten Interpretationen. Dabei dreht sich Debatte vor allem darum, ob es ethisch vertretbar ist, die Muster zu veröffentlichen. Denn das Urheberrecht haben die 1921 veröffentlichten Bilder in den USA bereits verloren, berichtet die New York Times.

Schon zuvor veröffentlicht

Die Bilder sind von dem kanadischen Arzt James Heilman publiziert worden. Ursprünglich war bei dem Artikel nur ein Muster veröffentlicht worden, was bereits zu Diskussionen geführt hatte. Heilman habe es jedoch "absurd" gefunden nur ein Bild zu veröffentlichen und reichte die anderen neun nach. Daraufhin war der Streit eskaliert. Wieso die Kritiker gerade jetzt auf den Plan gerufen wurden, ist jedoch nicht ganz klar. Denn Muster sind zuvor schon auf anderen Seiten veröffentlicht worden. In dem umstrittenen Wikipedia-Artikel selbst wird auch darauf hingewiesen, dass die Muster erstmals 1983 in dem Buch "Big Secret" von William Poundstone veröffentlicht worden waren.

Ergebnisse bedeutungslos

Wenn Patienten Muster und gängige Interpretationen bereits vorab kennen, könnten die Test-Ergebnisse bedeutungslos werden, meint jedenfalls Psychologe und Präsident der International Society of the Rorschach and Projective Methods Bruce L. Smith, der unter dem Wikipedia-Namen SPAdoc postet. Man könnte zwar neue Tintenkleckstests entwickeln, doch dazu gebe es nicht die Untersuchungen, die zu den originalen Tests existieren, durch die die Ergebnisse erst in einen größeren Kontext gesetzt werden könnten.

"Leichtfertig und zynisch"

Nicht alle von der NYT zum Thema befragte Ärzte sind davon überzeugt, dass der psychologische Prozess durch die Veröffentlichung tatsächlich gefährdet sei. Dennoch ist der Grundtenor, dass die Bilder besser wieder entfernt werden sollten. Der deutsche Verlag Hogrefe & Huber Publishing, der den früheren Verlag von Hermann Rorschachs Buch gekauft hat, überlegt sogar rechtliche Schritte einzuleiten. Es sei "unglaublich leichtfertig und geradezu zynisch", in dem Wikipedia-Artikel einerseits die Kritik an der Veröffentlichung zu betonen, andererseits das Testmaterial im selben Artikel aber noch online zu lassen.

"Wie chinesische Zensur"

Bei der Wikimedia Foundation hat man für die Kritik wenig Verständnis. Chefsyndikus Mike Godwin habe über diese rechtlichen und ethischen Argumente sogar "ein bisschen Lachen müssen". Der Verlag lizenziere die Bilder zusammen mit Interpretationsunterlagen an verschiedene Unternehmen, beispielsweise an Western Psychological Services, das die Tests ab 110 US-Dollar verkaufe. Heilman, der die Bilder ursprünglich veröffentlicht hatte, vergleicht die Forderung seiner Kollegen gar mit der Zensur der chinesischen Regierung. Es gehe bei dem Streit vorrangig um Kontrolle. (red)