Molden und Resetarits: "ohne di" (monkey/Hoanzl 2009)

Coverfoto: Hoanzl

Vier Herrschaften - ein bisserl g'scheiter und auf jeden Fall fantasievoller als viele andere - tun sich zusammen. Musikalisch zumindest ist das ein Fest, wenn auch ein melancholisches. Manchmal wird es sogar richtig abgrundtief traurig, wie es sich bei Festen eben so ergibt. Schuld daran ist vor allem einer unter ihnen. Er lässt es sich nicht nehmen, so beiläufig an die menschlichen Abgründe anzustreifen, als ob nichts wäre und daneben noch die Leichtigkeit des Seins zu beschwören, als lebten wir nur einen Tag lang. Und das ist ein bisschen "entrisch", um ein gern gebrauchtes Wort von Autor und Musiker Ernst Molden gleich einmal einzuflechten. Entrischer, als alle anderen Skurrilitäten auf Ernst Moldens sechstem Soloalbum "ohne di".

Insgesamt sind alle vier Herrschaften bestens eingeführt - natürlich nicht zum Schaden des schon seit zwei Monaten vorliegenden Werks. Das Beste an der Sache ist aber wahrscheinlich genau die "würzige" Mischung: Das Wiener Multitalent Ernst Molden, der allseits umtriebige Willi Resetarits, der nicht weniger bekannte Walther Soyka, der viele Jahre lang die Knöpferlharmonika bei Roland Neuwirth gedruckt hat und Hannes Wirth, der Mann, der sonst bei den Mannen von "A Life, A Song, A Cigarette" musiziert.

Saftige Sprachbilder schwimmen da mit Leichtigkeit wie Fettaugen auf der musikalischen Suppe. Die ist ebenfalls gut gewürzt, eher herb denn leicht, und sorgt unter anderem dafür, dass das Ganze ist, was es ist: Eine Allianz von Blues und Wienerlied mit dem Rhythmus der akustischen Gitarre, die Molden spielt, dem Sirren und Zerren der elektrischen Gitarre von Wirth, der säuselnden Zieharmonika von Walther Soyka und Molden und Resetarits, die es miteinander im Gesang probieren.

Nach dem Coverversionenalbum "Foan", wo Molden Klassiker von Will Oldham bis Nick Cave ins Wienerische übertrug, hat der Wiener sich nun über sein erstes Album mit eigenen Songs im Dialekt getraut. Wenn ein Bohemien aus gutbürgerlichem Hause solche Sachen angreift, dann könnte das durchaus recht peinlich werden. Der Gang in den Keller, der Blick in Hinterhöfe und abseitige Gassen - zu den Proletariern, Rand- und Nebenexistenzen - ist durchaus mit Stolpersteinen belegt. Ästhetische Kleider, wohltemperierte Melodien und satte Farben stehen eben nicht jedermann. Da helfen nur erzählerische Zuneigung zu den Protagonisten und wohlbemessene Distanz darüber hinweg. Zumal bei dem Stoff, aus dem diese Lieder sind, auch die Grenze zum oft geschmähten Austropop nicht weit ist, die Ambros-Danzer-Fendrich-Schneise immer ein bisschen drohend winkt.

Wer Ernst Molden und seine literarischen Streifzüge kennt, weiß, wo sich Wien bei ihm abspielt. In Zeitlupe geht es durch die "Woed" in Hernals, am Bahnhof oder am Bisamberg. Und da spielt es sich wirklich ab, auch wenn man zuweilen erst beim zweiten Mal Hinhören draufkommt. Würden Aki Kaurismäkis Filme in Lieder übersetzt werden, so würden sie vermutlich genau so klingen wie "de blia" oder "woed aus rauchfeng". Das Gruseln kommt einem am Hanslteich, wo es "in da nochd haß bleibt und auf amoi a mädl weg is". Und es groovt wie bei der Totenwache, wenn die Anwesenden den Rosenkranz murmeln - wieder und immer wieder die "Erlösung" von den Sünden beschwören. Wohl wissend, das Mädl kommt nicht wieder - und von Erlösung keine Spur. Aber dann - auf einmal ist alles wieder ganz leicht und man kann den Tod auch ein bisserl auf die Schaufel nehmen: "i stö mi tot, es ist ma z'gfährlich ohne di" oder ihm auch aus gutem Grund aus dem Wege gehen: "d'sun geht unter hinta da woed aus rauchfeng und eigentlich warats schod waun i mi aufhäng".

Große Wahrheiten vertragen sich auf dieser CD mit der kleinen Wirklichkeit in der realen Welt, in der Löcher einen stolpern lassen, weil es finster wird und vielleicht auch, weil man zu tief ins Glas geschaut hat. "de beag, in die's finsta is, da bisamberg mit seine tausend löcha" machen sich sympathisch und unheimlich zugleich, weil "in die berg d'narrn wohnan". Wer will schon genau wissen, wer da umgeht. Zumal es nicht ausgeschlossen ist, dass am Sender Kahlenberg der Kontakt zu den Außerirdischen gepflogen wird. Und so streift der Zuhörer durch eine wundersame Welt, die ihm so seltsam bekannt vorkommt und manchmal doch wieder ganz fremd erscheint. Und das ist doch das Beste, was einem passieren kann. (mareb)