Wien - Dass ihr Frühstück anderen Menschen zu einer Erkenntnis verhelfen könnte, hätte Ira Mollay nie erwartet. Denn obwohl die Wienerin als Lebensberaterin arbeitet, steckte hinter der Idee, ihr Frühstück - an Schönwettertagen - nicht in, sondern vor ihrer Wohnung in Margareten zu genießen, kein pädagogischer Ansatz: „Bei einem Spaziergang fragte ich mich, wieso nur Betrunkene und Obdachlose auf den Bänken Zeit verbringen - und sich andere Leute scheuen, ihr privates Leben im öffentlichen Raum zu leben."
Von diesem Gedanken zur Tat zu schreiten war dann „nur mehr ein kleiner Schritt". Und so frühstückt Frau Mollay nun schon in der zweiten Saison öffentlich am Margaretenplatz, ist ob der Zurufe des Publikums beim Brunnen am Margaretner „Dorfplatz" aber immer noch stets aufs Neue erstaunt: „Die seltsamsten Reaktionen sind jene, wenn Leute nicht verstehen, dass ich mein Frühstück selbst zubereite und runtertrage. Das geht nicht in die Köpfe. Es muss aus dem Schanigarten daneben sein, sonst gibt es einen Kurzschluss im Hirn." Und Ira Mollay hat dazu auch eine Analyse parat: „Das zeigt, wie sehr die Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes in den Köpfen bereits verankert ist."
Dementsprechend, erzählt die Gehsteigfrühstückerin, fielen auch die Reaktionen anderer Passanten aus: Für regelmäßige Überquerer des Platzes sei sie längst ein Stück Stadtinventar - das man übersieht. Von jungen Leuten käme oft ein Lächeln. Und „den älteren, typischen Wiener Grantscherben sieht man geradezu an, dass sie sich beim Vorbeigehen überlegen, was genau sie daran stören könnte, dass ich hier sitze. Weil: Erlaubt kann so was doch nicht sein."
Ist es aber - solange Frau Mollay am Denkmalsockel bleibt: Denn streng genommen („das haben die Leute von einer Gruppe, die sich ,Gehsteigguerilleros‘ nennt, für mich herausgefunden") ist auf Wiens Gehsteigen das dauerhafte Verweilen genehmigungspflichtig. Auch, wenn man nur mit einem Tablett auf einem Klapptischerl dasitzt - und frühstückt. (rott, DER STANDARD Printausgabe, 22.07.2009)