Berlin/Fürth - Der Gründer des deutschen Versandhauses Quelle soll während der Nazi-Zeit tiefer in die sogenannte Arisierungspolitik der Machthaber verstrickt gewesen sein als bisher bekannt. Einem Bericht des Politikmagazins "Cicero" (August-Ausgabe) zufolge bereicherte sich der bereits 1932 in die NSDAP eingetretene Unternehmensgründer Gustav Schickedanz im Dritten Reich an jüdischem Besitz.

Eckart Dietzfelbinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, bezeichnete Schickedanz als "historisch belastete Person". Dieser sei das Paradebeispiel eines Unternehmers, der dank seines politischen Opportunismus von den Nazis im Zuge der sogenannten Arisierung profitiert habe. Ebenso exemplarisch sei, wie er nach Kriegsende als Mitläufer eingestuft wurde und nahezu unbehelligt blieb.

Allein zwischen 1933 und 1937 habe Schickedanz zehn Firmen und Grundstücke aus jüdischem Besitz übernommen, sagte Dietzfelbinger. Dazu hätten neben der Vereinigten Papierwerke A. G. in Nürnberg-Heroldsberg die Brauerei Geismann A.-G. in Fürth sowie die Firmen Baum & Mosbacher in Frankfurt, M. Ellern in Forchheim-Stadtsteinach, Ignatz Mayer in Nürnberg, die Kohn'sche Briefmarkensammlung, außerdem mehrere Grundstücke in Fürth und Forchheim gezählt.

Der Historiker Peter Zinke bestätigte dem Bericht zufolge die Kritik an Schickedanz. Bereits 2008 habe der Wissenschaftler im Jahrbuch des Nürnberger Institutes für NS-Forschung und jüdische Geschichte die Vorgehensweise des Quelle-Gründers geschildert. Mithilfe seiner Kontakte zur Gauleitung übte Schickedanz demnach Druck auf die jüdischen Besitzer aus. "Die Drohungen führen dazu, dass die Haus- und Fabrikbesitzer zum Verkauf genötigt wurden. Dies hat Schickedanz über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren genutzt", schrieb Zinke.

In seinem Entnazifizierungsverfahren wurde Schickedanz den Angaben zufolge beschuldigt, dass sieben der mehr als neun Millionen Mark seines Vermögens aus jüdischem Besitz stammten. 1949 erhielte er als Mitläufer lediglich eine Geldstrafe von 2.000 Mark (1.023 Euro). Nach den Worten Dietzfelbingers war dies ein "gigantischer Persilschein". Man habe den Unternehmer für den Wiederaufbau gebraucht. (APA)