David Pistrui: "In den USA scheitern Gründungen drei- bis viermal, bis sie zu erfolgreichen Unternehmen werden."

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"Wir stehen am Ende des Industriezeitalters und am Beginn einer sozioökonomischen Bewegung, die versucht, sich aus dem Chaos heraus neu oder teilweise neu zu definieren", sagt David Pistrui, Leiter des Instituts für Entrepreneurship und Innovation des Illinois Insti_tute of Technology in Chicago. Und der Motor dieser Bewegung ist das Unternehmertum, ist Pistrui überzeugt. Nicht allein aus rein volkswirtschaftlicher Sicht, sondern vor allem aus der Haltung heraus, die dem Unternehmertum - besonders kleinen und mittleren, auch familiengeführten Unternehmen - innewohne. 

Pistrui: "Die meisten privat oder familiengeführten Unternehmen handeln tendenziell konservativ - der Fokus liegt mehr auf den Menschen, ihrer Gemeinschaft, ihrem unmittelbaren Umfeld." Natürlich sei die vergleichsweise längere Verweildauer der Führungskräfte auch prägend für diese Unternehmenskulturen, die von höherer Loyalität zu Mitarbeitern und lokalen Märkten geprägt seien. 

Und: "Rein statistisch betrachtet kreieren diese Unternehmen mehr Jobs und schaffen mehr Innovation." Wobei Innovation nicht als "neue Dinge", vielmehr als „neue Werte" verstanden werden, so Pistrui weiter. Diese Fähigkeit, Werte einzufangen, zu kreieren und auch zu transportieren, sei in diesen Unternehmen ausgeprägter.

Nicht zuletzt mache ihre Größe diese Unternehmen beweglicher, reaktionsschneller, so Pistrui. Dazu komme, dass zahlreiche kleinere und mittlere Betriebe über nicht unerhebliche Liquidität verfügen, die sie in die Lage versetzen, anders mit Krisen umzugehen. Die Krisenzeit wird von den allermeisten Unternehmern auch als Chance wahrgenommen - sie seien, so der Professor, geübter im Ausschauhalten nach neuen Möglichkeiten für ihr Business. "Es ist eine gute Zeit für Wachstum und Diversifikation", beruft sich Pistrui auf Schumpeters Begriffsbildung der „schöpferischen Zerstörung". Es sei - trotz oder gerade vor allem wegen der Krise - eine gute Zeit für die Erneuerung von Mindsets, auch eine Zeit für Gründungen, so Pistrui.

"Umfeld gestalten"

Sicher, Unternehmensgründer werden zurzeit von den Banken nicht mit Geld überschüttet, Kreativität sei gefragt, um sein Umfeld entsprechend zu gestalten, so Pistrui. Es gelte aber auch Barrieren abzubauen - hier seien die USA ein Vorbild. Durchschnittlich, so ergaben Pistruis Forschungen, scheitern in den Vereinigten Staaten Gründungen im Schnitt drei- bis viermal, bis diese zu erfolgreichen Unternehmungen werden. Und anders als etwa in Deutschland wie in vielen anderen Ländern Europas, wo man gewissermaßen dafür stigmatisiert wird, wird Scheitern in den USA nicht angeklagt, so der Professor.

Pistrui: "Im Gegenteil. Scheitern haftet etwas Ehrenvolles an. Es ist in Wahrheit Ehrensache, weil man es zumindest versucht und nicht aufgegeben hat." An diesem Punkt seien Regierungen aufgefordert, sich Maßnahmen zur Beseitigung dieser Hürden zu überlegen. Eine Herausforderung für die Bildung werde sein, die Menschen in dieser Art des Denkens und Handelns zu bestärken. Die entsprechende fachliche Etablierung an vielen Universitäten sieht Pistrui, nicht überraschend, als sehr positive Entwicklung.

Konservativ in großen Lettern 

Offenheit für Vielfalt und eine positive Grundeinstellung seien Basis für eine Weiterentwicklung, für Innovation - im politischen wie im sozioökonomischen Sinn, so Pistrui. Als defizitorientiert würde er die Sichtweise hierzulande nicht unbedingt bezeichnen - vielleicht als "konservativ, aber in Großbuchstaben geschrieben", lacht er. "Ich sehe aber großes Potenzial." (Heidi Aichinger, DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.7.2009)