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Bruch zum Start des EU-Parlaments: Angelika Werthmann (rechts) und Hans-Peter Martin.

Foto: APA/Schneider

Bereits am Tag nach der Konstituierung des EU-Parlaments kündigt sich aus österreichischer Sicht eine Mandatsverschiebung an. Nachdem es in der Gruppe von Hans-Peter Martin Dienstag zum Eklat gekommen war, zeigt sich nun die grüne Delegation unter Ulrike Lunacek aufgeschlossen gegenüber der Aufnahme der EU-Abgeordneten Angelika Werthmann.

"Wir sind für ein Gespräch offen, warten wir einmal ab" , sagte Lunacek im Einvernehmen mit ihrer Kollegin Eva Lichtenberger dem Standard. Noch habe sie mit ihr darüber nicht gesprochen. Man habe aber registriert, dass die Salzburgerin sich von ihrem politischen Hintergrund her sehr mit Globalisierungskritik, Fragen der direkten Demokratie befasse, erklärte Lunacek. Urgrüne Themen.

Zu klären wäre aber, wie Werthmann zum Lissabon-Vertrag steht.

Käme es zu diesem Wechsel, rückten die Grünen mit drei Mandaten zur drittstärksten Delegation auf. Die Fraktion der europäischen Grünen könnte sich mit 56 Mandaten klar vor die Rechtsfraktion der radikalen EU-Gegner (54) auf Platz vier in Straßburg etablieren, hinter Volkspartei, Sozialdemokratischer Allianz und Liberalen.

Die fraktionslose Liste Martin, die im Juni mehr als 17 Prozent der Stimmen erreicht hatte, fiele auf zwei Mandate zurück, gleichauf mit der FPÖ-Delegation, die ebenfalls keine Fraktion fand.

Ob es dazu kommt, hängt jetzt von Werthmann ab. Als freie Abgeordnete kann sie sich jederzeit einer anderen Fraktion anschließen. Die 46-jährige Philologin blockt derzeit jede Stellungnahme ab. Offensichtlich wurde Werthmann schwer unter Druck gesetzt, auf ihr Mandat zu verzichten - zugunsten des bisherigen Assistenten Martins, namens Martin Ehrenhauser.

Werthmann wirkte am Dienstag, von Journalisten darauf angesprochen, sichtlich geschockt und eingeschüchtert, nachdem sie auf ihrem Mandat beharrt hatte und angelobt wurde. Bizarr: Auf einem für News (Dienstagmittag in Straßburg) gestellten Gruppenfoto der neun Neoabgeordneten aus Österreich steht Listenvierter Ehrenhauser, nicht Werthmann. Martin, der sonst so sehr Transparenz propagiert, verweigert sich dazu.

Sagte er Dienstag knapp, das seien "Gerüchte" und "kein Thema" , so stellt er sich nun gegenüber Standard, Presse oder Kleine Zeitung taub. Belegt ist, dass Robert Sabitzer, die Nummer zwei der Liste, im letzten Moment auf sein Mandat verzichtet hat, Ehrenhauser rückte nach. Der Preis: Martin sitzt im Plenum ganz hinten. Er hat sich zum dritten Mal mit Listenkollegen zerstritten: 2001 in der SPÖ-Delegation, für die er kandidierte; in der vergangenen Periode mit Karin Resetarits, die sich den Liberalen im EU-Parlament anschloss.

Das Beben in diesem Spektrum des 17 Abgeordnete zählenden Österreicher-Pulks ist nicht das einzige. Wie gelähmt wirkt die von sieben auf vier Mandate geschrumpfte SPÖ-Gruppe: Ihr Pressesprecher musste gehen. Stumm blieben auch die zwei Neuen, Evelyne Regner und Karin Kadenbach.

SPÖ am Boden

Sie posierten zwar für ein Gruppenfoto, waren aber sonst verschwunden: keine inhaltliche Präsentation, keine Vorstellung. Hannes Swoboda leitet die SPE-Gesamtfraktion geschäftsführend. Auf Jörg Leichtfried als bewährtem EU-Abgeordneten lastet nun viel.

Umso selbstbewusster tritt die ÖVP-Delegation mit sechs Mandaten auf. Sie kann alle Ausschüsse inhaltlich abdecken. Für Stirnrunzeln sorgt bei manchen der neue Stil des Auftretens durch den Neo-Delegationsleiter Ernst Strasser.

Der erklärte das Straßburger Parlamentsgebäude gleich einmal für "unwürdig" , man solle diese "DDR-Architektur" , in der nichts funktioniere, am besten "abreißen" .

Das bringt Boulevard-Schlagzeilen. Aber Kenner in der VP-Fraktion bezweifeln, dass Strasser sich so zu einem geachteten EU-Abgeordneten entwickeln kann, weil in Europa nicht billige Schlagworte, sondern zähe inhaltliche Arbeit und Argumente zählten. Strasser befürchtet das nicht. Er will "den Zug aufs Tor" verstärken.  (Thomas Mayer aus Straßburg, DER STANDARD, Printausgabe, 17.7.2009)