Ein Zaubertrank für seinen Besten: Harry Potter (Daniel Radcliffe) muss sich diesmal das Vertrauen von Professor Slighorn (Jim Broadbent) erschleichen.

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Der sechste Film der Erfolgssaga ist ein Blockbuster, der zu sehr auf Nummer sicher geht.

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Wien - Endlich hat der leidgeprüfte Knabe einmal ein wenig Ruhe. Im Bahnhofscafé schmökert er in einer Zeitung, und die aufmerksame Bedienung findet an dem bubenhaften Charme des Besuchers ganz offensichtlich Gefallen. Doch ein Auserwählter wie der Zauberlehrling Harry Potter (Daniel Radcliffe) hat für irdische Vergnügungen keine Zeit. Am gegenüberliegenden Gleis wartet schon Professor Dumbledore (Michael Gambon), um seinen Musterschüler bei der Hand zu nehmen und mir nichts, dir nichts in die Gegenwelt purzeln zu lassen.

Wenn es in Harry Potter und der Halbblutprinz, dem sechsten Teil der J.-K.-Rowling-Romanadaptionen, einen grundlegenden Konflikt gibt, dann liegt er in dieser Differenz aus weltlichen Bedürfnissen, die aus der Pubertät erwachsen, und dem übersinnlichen Auftrag, den Kampf zwischen Gut und Böse einen entscheidenden Schritt weiterzubringen. Die Hormone sind hier so sehr in Aufwallung, dass sie den eigentlichen Fortgang der Handlung gar ein wenig an den Rand drängen. Die Zauberschule Hogwarts erscheint in manchen Momenten so auch nur wie eines dieser US-Colleges, in denen sich Nerds und Hunks bekriegen. Immerhin haben die Bücherwürmer hier die Nase vorn.

Regisseur David Yates, der schon Teil fünf der Potter-Serie inszenierte, geht die Angelegenheit dennoch recht züchtig an, schließlich gilt es hier nicht nur die von Anfang an mitgealterte Zielgruppe zu bedienen. Für die Gefühlswirren stünde zwar mit den Zauberelixieren von Professor Slughorn (Jim Broadbent) das passende Mittel parat, um gelegentlich nachzuhelfen. Doch die Liebestränke werden nur von unwesentlichen Nebenfiguren gereicht. Ron (Rupert Grint) bleibt der einzige, der ins Volle greift.

Das verzögerte Finale

An Harry prallt der Liebeszauber noch merklich ab - ein paar scheue Blicke, ein zaghaftes Küsschen von Ginny (Bonnie Wright) müssen da schon genügen. Der Jungzauberer hat an Größerem zu arbeiten, auch wenn er in Radcliffes Darstellung manchmal so aussieht, als ob er gerade an ganz etwas anderes denkt. Das große Finale will vorbereitet werden - der finstere Lord Voldemort, der diesmal vor allem als Gewitterwolke in Erscheinung tritt, macht sich nun erstmals auch in der Menschenwelt bemerkbar und schickt seine Vasallen - darunter Helena Bonham Carter als quirlige Todesserin - in Richtung Hogwarts aus, um seinen Einfluss zu vergrößern.

Das große Finale findet allerdings erst im nächsten Band, Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, seinen Höhepunkt. Warner Bros. hat angekündigt, aus Rowlings letztem Buch gleich zwei Filme fertigen zu wollen. Nun wird alles in Stellung gebracht, eine Verzögerungstaktik, die sich nicht unbedingt zum Vorteil auswirkt. Man merkt jedem Schritt an, dass ihm ein nächster folgen soll. Im seriellen Film hat sich dafür der Begriff des Cliffhangers etabliert, ein Mittel, den Zuschauer bei der Stange zu halten, indem man mitten in der Spannungskurve abbricht. Zu viele davon strapazieren allerdings arg die Geduld.

Die Potter-Fans wird das wohl wenig stören. Der Reiz eines ausdifferenzierten Universums wie jenem von Harry Potter liegt neben dem großen Erzählbogen ohnehin auch im Verweilen bei Details. Harrys wichtigste Lektion lautet, mehr über seinen Gegner in Erfahrung zu bringen. Vor allem über die Vergangenheit Voldemorts, der so wie er selbst einmal Hogwarts besuchte. Er muss Slughorns Vertrauen finden, um an eine versteckte Erinnerung heranzukommen, während ihm in Draco Malfoy (Tom Felton) ein energischer Gegenspieler erwächst.

David Yates' Regie geht auf Nummer sicher. Er begnügt sich damit, das Franchise zu verwalten, indem er ein solides Gleichgewicht aus Action, Atmosphäre und komischen Intermezzi schafft. Nicht mehr als die routinierte Abwicklung eines Erfolgsrezepts - trotz britischer Charaktermimen, die den kauzigen Charme älterer Dickens-Verfilmungen verströmen.

Vor allem visuell bleibt der Film hinter den Möglichkeiten zurück, dem Fantastischen den nötigen Nachdruck zu verleihen. So bleibt das Verwunderlichste an der HP-Serie, dass der Zauber der Vorlagen im Kino nicht zündet. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 15.07.2009)