Foto: Orlanda Verlag

Ganz gleich, ob Wut über Diskriminierung und Sexismus aus den Texten spricht, ob Männer als Täter oder Objekte der Begierde beschrieben werden, ob es um kulturell auferlegte "Jungfräulichkeit" und/oder Gewalterfahrungen geht, um erlebte patriarchale Zurichtungen und Pseudofreiheiten, eines ist allen Berichten gemeinsam: sie sind Zeugnisse emotionaler Bewegtheit und bieten einen anschaulichen Einblick in die türkische Gesellschaft von heute.

Für dieses Buch haben vier Autorinnen zweiunddreißig Frauen zwischen zwanzig und achtundfünfzig Jahren, die in unterschiedlichen Sozietäten derzeit in Deutschland und der Türkei leben, befragt: Studentinnen genauso wie Reinigungskräfte, Managerinnen wie Ärztinnen, Künstlerinnen und andere.

Im Folgenden einige Kostproben aus den Interviews:
"Ich war wütend, ich war auf meine Weiblichkeit wütend. Ich war wütend auf diejenigen, die mir diese Regeln nur wegen meines Frauseins auferlegten. Ich wollte meine Weiblichkeit selbst definieren. Aber ich hatte diese Dinge so sehr verinnerlicht, dass es nicht einfach war, dagegen anzukämpfen..." (Gülfidan, 21 Jahre alt, Studentin)

"Was Sexualität angeht, weiß ich immer noch nicht genau, was das eigentlich ist. Ich habe zweimal geheiratet, habe mich scheiden lassen, aber weiß trotzdem nicht viel darüber. In der ersten Nacht wusste ich nicht, wie mir geschieht, danach hatte ich keine Lust mehr darauf..." (Ceylan, 45 Jahre alt, Krankenschwester)

"Mein Vater hat mich verheiratet, als 13 Jahre alt war. Ich hatte noch nicht einmal meine erste Monatsblutung bekommen ... Er (der Ehemann) trank sehr viel, kam immer sehr spät nach Hause, hatte sogar Kontakt zur Mafia, was weiß ich, er rauchte auch Haschisch. Und er hat mich verprügelt..." (Irem, 35 Jahre alt, Reinigungskraft)

"Frauen betrügen sich, was Sexualität angeht, selbst. Frauen, die Wert auf Jungfräulichkeit legen, stellen sich überall als Vegetarierinnen vor und statt den Geschmack von Fleischgerichten zu kosten, schlucken sie das Fleisch ohne es zu kosten oder zu kauen..." (Concagül, 45 Jahre alt, Akademikerin).
(dabu/dieStandard.at/16.07.2009)