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Morrissey auf der Bühne, also ganz bei sich. Der Pop-Dandy aus Manchester begeisterte im Wiener Gasometer.

 

REUTERS/Mario Anzuoni

Wien - Es gibt Menschen, deren wahre Bestimmung erst dann klar wird, wenn sie, in grelles Rampenlicht getaucht, alle Augen auf sich gerichtet fühlen. Steven Patrick Morrissey gehört eindeutig dieser Gattung Mensch an, was er am Wochenende im Rahmen seiner "Tour of Refusal" im Wiener Gasometer routiniert charismatisch demonstrierte. Nachdem die Wiener Arena als Konzertort aufgrund ihrer blutigen Vergangenheit als Schlachthof vom Meister abgelehnt worden war, einigte man sich mit dem strikten Vegetarier Morrissey auf den tierlieben Gasometer - und nahm so die bekannten Mängel in der Soundqualität hin.

Dieser Charmebolzen

Nach einer filmischen Hommage an Morrisseys Idole, wie die New York Dolls oder Lou Reed, ging die Leinwand mit einem großen Knall zu Boden, und der Großmeister trat samt Band im Buddy-Holly-Gedächtnisoutfit auf die Bühne, um mit dem Smiths-Klassiker This Charming Man zu eröffnen. Ganz uneitel.

Es folgten ein schmachtendes I Just Want To See The Boy Happy, und mit Black Cloud wurde der Bogen zum aktuellen und umstrittenen Album Years Of Refusal gespannt. Als besondere Highlights gestalteten sich der Smiths-Song Girlfriend In A Coma und Let Me Kiss You, das zum obligatorischen Entblättern des Meisters führte: Weltschmerz oben ohne.

Morrissey, der dieses Jahr seinen fünfzigsten Geburtstag feiert, fesselte von der ersten Sekunde an, auch wenn das nicht immer an seinem musikalischen Können liegen mag. Das offene Zur-Schau-Stellen einer scheinbar instabilen Persönlichkeit im Spannungsfeld zwischen Virilität, großen Gefühlen und maßloser Selbstüberschätzung, gepaart mit der äußerlichen Erscheinung eines alternden Dandys samt unsterblicher Stimme, fasziniert und veranlasst seine Fans dazu, ihm alle Fehler zu verzeihen. Sei es aktuell ein substanzloses Album, seien es kontroverse Aussagen in der Öffentlichkeit.

Das Spiel mit der Definition von Männlichkeit setzte sich in der Band fort, deren optische wie musikalische Ausstattung auf eine Zeit verwies, in der das männliche Rollenbild zweifellos definiert war. Auch die Rockabilly-Version von The Loop bot, neben einer beeindruckenden Demonstration musikalischen Könnens seitens der Band, nicht nur einen Grund zum Tanzen, sondern auch zur Spekulation. Bahnt sich beim Mozzer, wie ihn seine Fans liebevoll nennen, etwa eine Midlife-Crisis an?

Gleich einem musikalischen Abschmettern dieses Gedankens antwortet der letzte Song I'm OK By Myself und räumt alle Zweifel in die Kiste, um mit der Zugabe First Of The Gang To Die den Abend standesgemäß zu beenden. Der ausverkaufte Saal jubilierte. (Corrina Bauer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.7.2009)