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Das schönste Bild der opulenten, schlicht Visconti betitelten Monografie ist überraschenderweise weder ein Filmstill, legendäre Leinwandgrößen wie Burt Lancaster, Marcello Mastroianni, Anna Magnani, Romy Schneider, Claudia Cardinale, Sylvana Mangano et alii darstellend, noch ein Szenenfoto der Operninszenierungen mit Maria Callas, sondern zeigt den jungen Intellektuellen aristokratischer Herkunft höchstpersönlich. Porträtiert 1936 von niemand Geringerem als dem Fotografen Horst P. Horst. Bis zu seinem 35. Lebensjahr frönte Luchino Visconti als Privatier dem Müßiggang, bewegte sich in Künstler- und Intellektuellenkreisen von Rom, Paris und anderen Metropolen Europas. 1941 lernte er auf einer Soirée Coco Chanels Jean Renoir kennen, wurde sein Assistent und kurz darauf selbst passionierter Film- und Theaterregisseur. Neben den faszinierenden Fotos aus dem Schaffen des Regisseurs beeindrucken aber vor allem die elaborierten Texte und eloquenten Statements. Wie auch die Themen seiner Filme zeugen die philosophischen und durchwegs literarisch wertvollen Schriften von einer intensiven Beschäftigung Viscontis mit politischen, sozialen Herausforderungen und tiefgreifenden Metamorphosen der Gesellschaft. Ist sein anfängliches Oeuvre vom zeitgeistigen Neorealismus geprägt, mutieren seine späteren Arbeiten zu dekadenten Stilbildern, zu detailversessenen, manisch obsessiven Ikonografien des dräuenden Untergangs europäischer Aristokratie und Bourgeoisie.

Betrachtet man Viscontis juveniles Selbstbild, sind die schönen Männer, die sowohl sein Arbeits- als auch Privatleben begleitetet haben, als Alter Ego zu interpretieren: Helmut Berger, Alain Delon, Dirk Bogarde. Das Buch decouvriert einprägsam das beinahe schizophrene Spannungsfeld der politischen Gesinnung des Marxisten und des manisch-obsessiv nach Perfektion strebenden Ästheten, der zeitgleich melancholisch wie kämpferisch agierte: "Eigentlich folge ich nur drei Richtlinien: eine philologische, eine historische und eine dramatische Wahrheit festzulegen und zu versuchen, das Ideal des vollkommenen Schauspiels zu erreichen, welches eben das Melodram ist, Bilderbuch des Lebens." (Gregor Auenhammer, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 11./12.07.2009)