Wir wurden betrogen!" - so der Tenor von Josef Broukals Kommentar zu den Pensionskürzungen bei den Pensionskassen. Aber: Wer hat geglaubt, dass die an den Finanzmärkten angelegten Firmenpensionen jedes Jahr acht Prozent Ertrag bringen können? Das waren in den 90er-Jahren alle: Sozialpartner, Finanzbehörden, Analysten und Berater, Pensionskassen und selbstverständlich auch Arbeitgeber, Betriebsräte und Arbeitnehmer.

Übrigens: Die meisten jener, die heute Pensionskürzungen beklagen, waren damals zweifellos gut informiert: Entscheidungsträger haben nicht nur zugestimmt, sondern oft auch gebeten, dass ihre Firmenpensionen in Pensionskassen übertragen und das Kapital veranlagt wird; in der sicheren Erwartung auf mehr Ertrag. Dass gerade diese Personen nichts von den Schwankungen an den Kapitalmärkten gewusst haben könnten, ist unwahrscheinlich. Tatsache ist, dass viele zu gutgläubig - oder zu gierig? - waren: Durch die hohe Ertragserwartung haben sich Arbeitgeber viel erspart, weil sie geringere Beiträge leisten mussten; Manager wollten den Kapitalmarkt nutzen, um für sich höhere Leistungen zu erhalten; Pensionskassen haben sich das große Geschäft erhofft. Dass mit diesen Chancen auch Risiken verbunden sind, wussten damals alle, haben aber darauf vertraut, dass diese Risiken nicht schlagend werden. Die letzten Monate zeigten die raue Realität.

Das System nicht kaputtreden

Was aber soll die Konsequenz daraus sein? Die von Josef Broukal geforderte De-facto-Abschaffung der Pensionskassen ist es meines Erachtens nicht: Pensionskassen sind ein seit vielen Jahrzehnten weltweit etabliertes System, das gute Erträge bringen kann, wenn a) die Kapitalmärkte nicht überschätzt werden, b) Instrumente gegen Schwankungen der Kapitalmärkte eingebaut werden, und c) die Erträge langfristig thesauriert werden können. All dies wurde in Österreich aber vielfach ignoriert:

  • Der Gesetzgeber hat im Einklang mit den Sozialpartnern einen aus heutiger Sicht zu hohen Rechnungszinssatz vorgeschrieben;
  •  Schwankungsrückstellungen wurden vielfach zu gering dotiert, um höhere Leistungen darstellen zu können;
  • Betriebspensionszusagen wurden wenige Jahre vor der Pensionierung in Pensionskassen ausgelagert, sodass Kapitalerträge nicht langfristig wachsen konnten.

Gerade in Österreich sind jedoch Firmenpensionen sinnvoll, weil die Menschen hohe Erwartungen an das staatliche Pensionssystem haben, die Gesellschaft aber nicht bereit ist, die Arbeitswelt so zu gestalten, dass die Menschen zur Erreichung höherer Pensionen länger im Erwerbsprozess verbleiben. Dadurch tritt eine Lücke zwischen den Erwartungen an die gesetzliche Pension und der tatsächlichen Pensionshöhe auf, die durch kapitalgedeckte Pensionen geschlossen werden könnte. Dabei einzig auf das Sparbuch zu setzen und auf die Renditen der Finanzmärkte zu verzichten, wäre aus kaufmännischer Sicht falsch.

Wenn Kapitalmärkte heute nicht mehr so funktionieren wie man es viele Jahre erwartet hat, dann müssen wir das System eben reformieren und an die neuen Gegebenheiten anpassen. Und genau das passiert derzeit, indem unter anderem die Sozialpartner ein Reformprogramm ausgearbeitet haben, um die Zukunft der Firmenpensionen zu sichern. Der Staat sollte dabei aber nur dann Ansprechpartner für Nachbesserungen sein, wenn es die Budgetlage zulässt, was derzeit nicht der Fall ist.

2008 war an den Finanzmärkten ein Katastrophenjahr, das auch an den heimischen Pensionskassen nicht spurlos vorübergehen konnte. Doch deswegen das Geld jetzt unter den Kopfpolster zu legen, würde die jahrzehntelang positive Entwicklung der Kapitalmärkte ignorieren.
Den Experten vertrauen

Ich verstehe, wenn sich die 500.000 Arbeitnehmer mit Firmenpensionsanspruch von den Entwicklungen hart getroffen fühlen; ich bin jedoch der Meinung, dass diese Menschen keine Panikreaktionen brauchen. Sie brauchen vielmehr Gewissheit, dass die Experten in den Pensionskassen, den Sozialpartnern und in den Finanzbehörden aus der Finanzkrise die richtigen Schlüsse ziehen und das ihnen anvertraute Geld bestmöglich veranlagen - die Politik soll dafür realistische und langfristig stabile Rahmenbedingungen schaffen. Im betrieblichen wie im gesetzlichen Pensionssystem rächt es sich, wenn man kurzfristig populistische Maßnahmen setzt! (Wolfgang Mazal, DER STANDARD, Printausgabe, 10.7.2009)