"Das Hauptproblem bei der wirtschaftlich schwierigen Situation ist, dass die meisten Firmen, die jetzt kurzarbeiten, für exportorientierte Firmen arbeiten oder selbst exportorientierte Firmen sind."

Foto: mil/rwh/derStandard.at

"Ich mache mir keine Sorgen um die Sozialdemokratie in ihren Grundfesten. Was Sorgen macht, ist die Frage, wie es uns gelingt den Menschen zu vermitteln, was wir für den sozialen Frieden und für eine soziale Balance tun."

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"Eine Stiftung ist ein Zusammenschluss von wirtschaftlichen Investitionen und Besitz. Und wenn man sagt, man hat eine gemeinnützige Stiftung, dann muss man sich an die Regeln halten."

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"Gleichberechtung ist keine leere Worthülse, sondern ein Arbeitsauftrag."

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Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) macht sich Sorgen um die jungen, wenig qualifizierten Hilfsarbeiter. Das am Donnerstag dem Nationalrat vorliegende Arbeitsmarktpaket soll Abhilfe schaffen. Warum manche Jobs in der Autobranche "für immer verloren" sind und warum er sich bemüht Feminist zu sein, sagte er zu Marijana Miljkovic und Rosa Winkler-Hermaden.

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derStandard.at: Am Donnerstag wird im Parlament die Reform der Kurzarbeit beschlossen. Es gibt aber auch Kritik am Kurzarbeit-Modell. Die Grünen beispielsweise befürchten, dass Unternehmen ohne Kontrolle subventioniert werden. Soll es eine Kontrollinstanz geben?

Hundstorfer: Die Befürchtung der Grünen ist nicht nachvollziehbar. Um zu Kurzarbeits-Beihilfen zu kommen, ist ein Verfahren vorgesehen. Es kann natürlich, wie überall, Trittbrettfahrer geben. Fakt ist aber, dass die Kurzarbeiter-Beihilfe nur dann gewährt wird, wenn die Sozialpartner zustimmen.

derStandard.at: Die Arbeitslosigkeit wird weiter ansteigen. Modelle wie Kurzarbeit sind eher kurzfristige Maßnahmen. Welche langfristigen Maßnahmen setzen Sie, damit die Leute, die jetzt in Kurzarbeit sind, nicht dann in 24 Monaten auf der Straße stehen?

Hundstorfer: Dort, wo wir steuern können, tun wir das - mit Konjunkturpaketen, mit Schulungsmaßnahmen, mit Qualifikationsmaßnahmen. Das Hauptproblem bei der wirtschaftlich schwierigen Situation ist aber, dass die meisten Firmen, die jetzt kurzarbeiten, für exportorientierte Firmen arbeiten oder selbst exportorientierte Firmen sind. Da kann man mit nationalen Beschäftigungsprogrammen nicht einmal irgendetwas erreichen. Wir können nur versuchen, mit internationalen Programmen, zum Beispiel mit der sehr umstrittenen Verschrottungsprämie, zumindest in Teilen für Entspannung zu sorgen.

derStandard.at: National kann man also gar nichts tun?

Hundstorfer: Im Baugewerbe, im Handel kann man was tun. Bei der Qualifikation der Arbeitnehmer haben wir immer noch ein Problem. Es braucht Schulungs- und Umschulungsmaßnahmen, zum Beispiel im Sozial- oder Gesundheitsbereich. Aber wir brauchen auch Arbeitskräfte für den Energie- oder Umweltsektor. Das sind alles Wachstumsbranchen. Wir wissen, dass wir rund ums Auto auf ewig Jobs verloren haben, die nie mehr kommen. Auf der ganzen Welt ist die Autoproduktion rückläufig.

derStandard.at: Maßnahmen wie die Kurzarbeit sind ur-sozialdemokratische. Trotzdem kann die SPÖ beim Wähler nicht punkten und verzeichnet Verluste in Serie. Wo liegt das Problem? Machen Sie sich Sorgen um die Sozialdemokratie?

Hundstorfer: Ich mache mir keine Sorgen um die Sozialdemokratie in ihren Grundfesten. Was Sorgen macht, ist die Frage, wie es uns gelingt den Menschen zu vermitteln, was wir für den sozialen Frieden und für eine soziale Balance tun. Damit es nicht zu Unruhen kommt wie in anderen Ländern, dass Menschen auf die Straße gehen. Da haben wir in der Darstellung, wie und was wir tun, Fehler gemacht.

derStandard.at: Aber die Lösung des Problems kennen Sie noch nicht?

Hundstorfer: Wir bemühen uns sehr, Dinge sehr transparent und offen zu machen. Wir haben natürlich auch von unseren Grundsätzen her nicht immer die Einfachheit wie andere Parteien. 

derStandard.at: Einer, der sich Sorgen macht, ist offenbar Franz Voves, der jetzt in Hinblick auf die Wahl 2010 auch die SPÖ-Stiftung in der Steiermark auflösen will. Wie beurteilen Sie das und was ist Parteilinie betreffend Stiftungen?

Hundstorfer: Eine Stiftung ist ein Zusammenschluss von wirtschaftlichen Investitionen und Besitz. Und wenn man sagt, man hat eine gemeinnützige Stiftung, dann muss man sich an die Regeln halten. Dann darf diese Stiftung nicht gewinnbringend sein. Eine Partei muss da immer offen und transparent agieren. So vermeidet man von Vornherein, dass man sich vorführen lässt. Man muss nur offen und ehrlich spielen. Da ist uns in der Steiermark ein Fehler passiert.

derStandard.at: Der Fehler, dass die Stiftung aufgelöst wird?

Hundstorfer: Der Fehler, dass man nicht von Vornherein gesagt hat, man hat eine. Wenn ich über das Stiftungsrecht herziehe, dann muss mir auch bewusst sein, dass das für meine eigene Stiftung gilt.

derStandard.at: Zurück zum Arbeitsmarkt: Die meisten Arbeitslosen sind im Moment junge Männer. Was wollen Sie für diese tun? Und wie wollen Sie sich der Arbeitslosen mit Migrationshintergrund annehmen?

Hundstorfer: Bei den 15- bis 19-Jährigen, die eine Ausbildung wollen, mache ich mir keine Sorgen. Über die Ausbildungsgarantie werden wir jedem eine Lehrstelle vermitteln, sei es über eine überbetrieblichen Ausbildungsstätte. Diejenigen, die mir Sorgen machen, sind die 15- bis 19-Järigen, die aus welchen Gründen auch immer, keine Ausbildung machen wollen, und meinen, dass sie als jugendliche Hilfsarbeiter glücklich werden. Denen klar zu machen, dass sie eine Ausbildung machen sollen, wird schwierig. Eine Spezialgruppe sind die Jugendlichen aus Zeit- und Leiharbeitsfirmen, die sich in der Krise als erste verabschieden mussten. Für die haben wir eine eigene Jugendstiftung gemacht. Mit ihnen versuchen wir spezielle Schulungsprogramme zu entwickeln, bei denen auch die Wirtschaft mitzahlt.

derStandard.at: Was ist mit den Jugendlichen mit Migrationshintergrund?

Hundstorfer: Für diese gibt es extra Förderungen, extra Sprachkurse, extra Einstiegsbeihilfen. Wobei diese Zielgruppe ein städtisches Problem ist. Viele von ihnen haben ein Sprachdefizit, was teilweise nicht nachvollziehbar ist, weil sie ja in Österreich geboren sind.

derStandard.at: Können Sie schwören, dass die Mindestsicherung 2010 kommen wird?

Hundstorfer: Sie wird im Laufe des Jahres 2010 kommen und Kärnten wird sie nicht blockieren. Wenn alle Stricke reißen, dann machen wir sie ohne Kärnten, aber wir werden versuchen, Kärnten ins Boot zu holen.

derStandard.at: Was machen dann die Kärntner?

Hundstorfer: Kärnten hat ja schon eine Mindestsicherung, allerdings ist die niedriger als die jetzt vorgesehene. Nach der Wahl sind nun auch vernünftige Gespräche möglich, die wir im Sommer, ohne Medien, weiterführen. Wir alle brauchen Zeit und einen anderen Zugang. Was nicht heißt, dass ich hier blinder Optimist bin, aber ich glaube, dass wir Kärnten ins Boot holen können.

derStandard.at: Sind Sie eigentlich Feminist?

Hundstorfer: Sagen wir es so, ich bemühe mich, ernst zu nehmen was ich sage: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit zumindest in den Bereichen, wo ich unmittelbar Einfluss habe. Ich glaube, ich konnte auch im Zuge meiner letzten Jobs beweisen, dass ich es mit Frauenförderplänen ernst meine. Gleichberechtung ist keine leere Worthülse, sondern ein Arbeitsauftrag.

derStandard.at: Sie haben mit der Frauenministerin die Offenlegung der Einkommen gefordert, im Gegensatz zu ihr sind Sie aber gegen Strafen. Warum?

Hundstorfer: Ich glaube, das wichtigste ist, das Gesetz auf die Reise zu bringen. Strafen oder nicht Strafen ist ein zweiter Punkt. Gemeinsam Transparenz zusammenzubringen, das ist schon ein Meilenstein.

derStandard.at: Die ÖVP legt sich quer.

Hundstorfer: Bei den Strafen gibt es Widerstand. Die Transparenz werden wir zusammenbringen und dann bringen wir auch Bewegung in die ganze Diskussion. Ich komme selber aus dem Sektor, wo das Thema gleicher Lohn für gleiche Beschäftigung im Wesentlichen gelöst ist, nämlich im öffentlichen Dienst. Ein Polizist und eine Polizistin bekommen für die gleiche Arbeit gleich bezahlt, aber wenn es auf der Karriereleiter weiter hinauf geht, haben wir auch im öffentlichen Sektor Nachholbedarf.

derStandard.at: Das hört sich so an, als wäre es bis zur Offenlegung noch ein langer Weg.

Hundstorfer: Wir geben jetzt Gas. Nachdem Heinisch-Hosek und ich beide betroffen sind, werden wir nicht ruhen. 2010 werden wir, glaube ich, soweit sein. Aber da haben wir nur das Gesetz. Man muss praktisch leben. (Marijana Miljkovic, Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 8.7.2009)