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Das Auto ist für Menschen mit Handycap ein wesentliches Stück Unabhängigkeit.

Kleinfrauenhaid - Der ausgebaute Autositz wird ausgiebig mit Benzin übergossen. Dann wirft einer ein brennendes Streichholz drauf. Roland Hirtl zählt: "Egy, kettö, három." Und bei "három", also "drei", spritzt der junge, aus Ungarn angereiste Mann mit einer Spraydose ins Feuer, das im Handumdrehen erlischt.

Das war aber zu wenig, zu wenig spektakulär. Noch einmal Benzin, noch einmal Streichholz, noch einmal zählen, diesmal allerdings nicht nur bis drei. Jetzt brennt es ordentlich. Der junge Mann spritzt wieder. Das Feuer erlischt. Auch jetzt wieder im Handumdrehen.

Das hat jetzt ein wenig ausgesehen wie eine Messevorführung. Aber Roland Hirtl widerspricht dem so vehement, dass der Standard sich hüten würde, das jetzt so hinzuschreiben. Denn Messe - das klinge viel zu kommerziell, zu verkaufsorientiert.

Roland Hirtl spricht lieber von Beratung, "umfassend, sowohl in technischer als auch rechtlicher Hinsicht". Aber würde es ein anderes Wort für Messe geben, dann müsste man es ohne Zweifel heranziehen zur Beschreibung jenes Nachmittags, den der ARBÖ Burgenland auf seinem Fahrtechnikgelände, gleich hinter der barocken Wallfahrtskirche von Kleinfrauenhaid, veranstaltet hat. Und das - das Messeartige - war es wohl auch, das so viele Menschen - 250, schätzt Hirtl - hierher gelockt hat in den kleinen Ort halbwegs zwischen Eisenstadt und Mattersburg.

Das Löschen des brennenden Autositzes mit einem "Bio-Feuerkiller", der nicht ätzend ist wie viele andere, war ja nur der erste Programmpunkt. Danach geht es zu den Herstellern und Ausrüstern, die ihre neuesten Produkte und Erfindungen präsentieren; zum Auto der Fahrschule Columbus, die jungen Menschen Mut auf den Führerschein macht, weil sie ihnen die Gelegenheit dazu gibt; und schließlich zum Höhepunkt: dem Teufelsritt über die Schleuderplatte auf den Aquaplaning-Parcours. Dazwischen rollt Roland Hirtl von einem zum anderen und tut, was seiner Ansicht nach hauptsächlich zu tun ist. Er berät.

Leuchtende Augen

Das muss er auch beim Standard. Denn für jemanden, der sich unter "Auto" etwas vorgestellt hat, das ein Lenkrad und zwei oder drei Fußpedale hat, ist die Sache ziemlich verwirrend. Natürlich weiß man, dass es Sonderanfertigungen für Querschnittgelähmte gibt. Aber für Menschen ohne Beine und mit nur wenig funktionstüchtigen Armen und Händen? "Alles gibt es", sagt Roland Hirtl, "technisch lässt sich ein Auto an fast jedes körperliche Handicap adaptieren." Und er erzählt von jenem jungen, noch führerscheinlosen Mann, der voriges Jahr - als dieser Behinderten-Fahrtag erstmals abgehalten wurde - zum ersten Mal auf dem Fahrersitz eines Autos saß und es nach kurzer Zeit bewegte wie ein Alter. "Und das nur mit einem Joystick. Sie hätten seine Augen sehen müssen, wie die geleuchtet haben."

Für gehandicapte Menschen ist das eigene Auto weitaus mehr als für jene mit vier graden Gliedern: ein Stück persönliche Unabhängigkeit, gerade auf dem Land, wo sich nicht so ohne weiteres öffentlich herumfahren lässt.

Roland Hirtl weiß, wovon er spricht. Er war Techniker beim ARBÖ in Wien. 1988 fuhr er im Zuge einer Pickerlüberprüfung mit einem Motorrad. "Da hat mich dann ein Auto abgeschossen." Seither sitzt er im Rollstuhl. Daheim ist er mittlerweile in Ungarn, deshalb auch der starke Besuch durch die Nachbarn. Dem ARBÖ freilich blieb Hirtl als Behindertenberater - oder besser: Kompetenzzentrum - erhalten. Und als solcher (oder solches) kann er nur sagen, was er jedem sagt, nämlich: "Jeden Fall muss man sich einzeln anschauen. Einen allgemeinen Rat gibt's nicht." Am besten, sagt er, anrufen. Und zwar 0664/60 12 32 18. Oder mailen: Roland.Hirtl@arboe.at.

Das sagt auch Klaus Katzianka. Aber er sagt auch: "Klar ist das eine Messe." Dem Standard hat es nämlich keine Ruhe gelassen, dass es da kein einzelnes Wort geben soll, mit der sich so eine Produkt- und Dienstleistungsschau beschreiben ließe.

Allerdings ist Klaus Katzianka ein abgebrühter Medienprofi und also Hutschenschleuderer, der im Vorjahr so manchem Politiker mit dem Pflege-Volksbegehren in arge Verlegenheiten gebracht hat. "Aber ich bin ja auch extra von Leoben heraufgekommen, um zu schauen, was es Neues gibt."

Spastischer Pilot

Gerade weil sich, wie Roland Hirtl sagt, die Sache nicht über einen Kamm scheren lässt, sei eine Veranstaltung wie diese hier so wichtig. Gerade was die elektronische, computergestützte Entwicklung betrifft.

Wer würde denn schon einem spastisch gelähmten jungen Mann zutrauen - oder zutrauen wollen -, sich in ein Auto zu setzen und selber damit zu fahren? Aber das, erzählt der pannonische ARBÖ-Präsident Peter Rezar, im Hauptberuf Soziallandesrat, "habe ich mit eigenen Augen gesehen".

Richtiggehend ins Schwärmen aber gerät er, wenn er von dem schwerst gehandicapten Arzt erzählt, der das Auto mit jenem Körperteil beherrscht, den er dafür zur Verfügung hat: der großen Zehe. Sein umgebauter Wagen steht vorne, beim Eingang. Er preist, anders als die Hersteller, nichts an. Dennoch scharen sich die Leute um ihn. Über eine elektrisch ausfahrbare Rampe befährt er den Van, manövriert den Rollstuhl ins, nun ja: Cockpit, und los geht's. Neben dem Arzt-Auto steht eine große, schwarze Mercedes-Limousine. Die ist der Stolz von Klaus Katzianka, der gern bereit ist, den Doktor auf eine Runde mitzunehmen - Hirm, Wulkaprodersdorf, Stöttera.

Diese schlichte Lust am geilen Gefährt hat etwas so Gängiges und Stinknormales, dass jeder, der das sieht, den beschwerlichen Anlass zu diesem Treffen vergisst. (Wolfgang Weisgram/DER STANDARD/Automobil/3.7.2009)