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Der Toba auf Sumatra spuckte vor 72.000 Jahren tausendmal so viel Asche aus wie der Mount St. Helens (hier im Bild).

Foto: REUTERS/Austin Post/USGS/Cascades Volcano Observatory

Hinterlassen hat er einen 100 km langen und 30 km breiten Kratersee.

Bild: NASA

Damit erklärt sich auch, warum wir uns heute genetisch so ähnlich sind. 

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Vor gut 70.000 Jahren war die Geschichte der Menschheit beinahe zu Ende. Nur noch wenige Tausend Individuen der Art Homo sapiens lebten auf der Erde. Ihr Überleben hing von Zufällen ab: Krankheiten, Hungersnöte und Naturkatastrophen waren eine konstante Bedrohung. Nun stützen Wissenschafter mit neuen Daten eine bislang umstrittene These, wonach die Menschheit nach einem Vulkanausbruch in Indonesien nur um Haaresbreite der Ausrottung entging.

Erste Belege dafür fanden Biochemiker in den 1990er-Jahren im menschlichen Erbgut. Von Generation zu Generation verändert sich Erbgut ein wenig. Der Vergleich der Gene offenbarte eine erstaunlich enge Verwandtschaft der Menschen aus allen Erdteilen. Alle heute lebenden Menschen stammen demnach von wenigen Tausend Vorfahren ab, die vor rund 70 Jahrtausenden lebten.

Eisige Spuren der Abkühlung 

Spuren im Eispanzer von Grönland gaben Hinweise auf die Ursache dieses Beinahe-Aussterbens. Gasblasen in Eisbohrkernen verrieten: Zur fraglichen Zeit muss die Erde jahrhundertelang deutlich kühler gewesen sein. Zuvor hatten die Vorfahren des Menschen allerdings noch drastischere Eiszeiten durchlebt. Warum also, so fragten sich die Forscher, sollte ausgerechnet diese Abkühlung solch eine verheerende Wirkung gehabt haben?

Eine Ascheschicht, die sich unmittelbar vor der Kaltphase im Grönlandeis abgelagert haben muss, brachte die Forscher auf die Spur eines gigantischen Vulkanausbruchs: Vor etwa 72.000 Jahren war der Toba explodiert, ein sogenannter Supervulkan auf der indonesischen Insel Sumatra.

Es war die heftigste Eruption der vergangenen zwei Millionen Jahre. Der Vulkan spie nicht nur eine Säule aus Lava und Asche in den Himmel. Eine gewaltige Magma-Blase explodierte, der Erdboden zerriss auf weiter Flur. Kein Vulkankegel zeugt heute von dem Ausbruch: Ein riesiger See füllt den Krater von Toba.

Der Toba spuckte tausendmal so viel Asche aus wie der Mount St. Helens vor 29 Jahren. Säuredämpfe vergifteten die Umwelt, Ascheschleier verdunkelten die Erde auf Jahre hinaus. Die Atmosphäre sei um fünf Grad Celsius abgekühlt, berichteten Geoforscher, und in mittleren Breiten herrschte plötzlich Eiszeit. Der rapide Kälteschock und die Dunkelheit ließen Pflanzen verdorren, Tiere starben.

Auch unseren Vorfahren habe der "vulkanische Winter" schwer zugesetzt, folgerte Stanley Am- brose von der Universität Illinois, USA, als er vor elf Jahren die Theorie vom sogenannten "evolutionären Flaschenhals" der Menschheit aufstellte. Ambrose führte das aus Genomanalysen vermutete Schrumpfen der Menschheit vor 70.000 Jahren auf die Toba-Eruption zurück: Viele Menschen hätten kaum mehr Nahrung gefunden, viele seien erfroren, behauptete er.

Doch bald regte sich Widerspruch. Die Auswirkungen des Toba-Ausbruchs seien nicht so verheerend gewesen, errechnete Clive Oppenheimer von der Universität Cambridge in Großbritannien im Jahr 2002. Die gigantische Eruptionswolke habe zu wenig Schwefel enthalten, um die Erde dauerhaft um fünf Grad abzukühlen. Zur Verdunkelung braucht es Schwefel, denn anders als Asche bleiben Schwefeltröpfchen jahrelang in der Luft.

Vor zwei Jahren schienen Archäologen die Toba-Theorie endgültig widerlegt zu haben. Im Südosten Indiens hatten sie Steinwerkzeuge gefunden - sowohl unterhalb, als auch oberhalb der Ascheschicht des Toba-Ausbruchs. Die Eruption, folgerten die Experten um Michael Petraglia von der Universität Cambridge, habe die Menschen nicht verdrängen können. "Sie lebten unverändert weiter", sagt Petraglia.

Temperatursturz um 18 Grad 

Dem widerspricht nun das Ergebnis der neuen Untersuchung. Mit einem Computermodell haben Klimatologen um Alan Robock von der Rutgers Universität in New Jersey die Auswirkungen des Toba-Ausbruchs simuliert. Sie waren gravierender als angenommen: Fünf Jahre lang lagen die Temperaturen weltweit um bis zu 18 Grad tiefer als zuvor, noch zehn Jahre nach der Eruption war es auf der Erde durchschnittlich zehn Grad kälter. Zudem regnete es weniger, mancherorts herrschte jahrelang Dürre.

Weil sich die Eruptionswolke von den Tropen her ausbreitete, verteilte sie sich besonders effektiv über beide Hemisphären. Dieser Extremwinter über mehrere Jahre habe den Menschen schwer zugesetzt, resümieren Robock und seine Kollegen im Journal of Geophysical Research (Bd. 114, S. D10107). Der plötzliche Kälteeinbruch habe den meisten Menschen keine Zeit für eine Flucht in wärmere Regionen gelassen, und nur wenige Tausend überlebten - unser alle Vorfahren. (Axel Bojanowski, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. Juli 2009)