Der Blick in die Starhemberg-Kaserne ist unspektakulär. Im Parterre des Nebenhauses geht kurz ein Fenster auf und gleich wieder zu. Man hört Kichern: Eine Touristengruppe, hier, vor der Kaserne?

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Die Kaserne in der Favoritner Troststraße ist eine Station beim  "Stadtspaziergang zu den Orten der NS-Militärjustiz".  „Viele Todeskandidaten verbrachten hier ihre letzte Nacht", erzählt Mathias L.. Der Student ist Mitbegründer der „AK Denkmalpflege", die eine Aufarbeitung der Geschichte österreichischer NS-Miltiärjustiz nicht nur fordert, sondern auch selbst betreibt: Regelmäßig und auf Anfrage begleiten sie Stadtspaziergänge - per Rad oder zu Fuß - zu jenen Orten, wo SoldatInnen festgehalten, gefoltert, verurteilt, hingerichtet wurden.

In der Troststraße, wo heute die Fernmelder des Bundesheeres ausgebildet werden, waren bis 1945 vorm Militärgericht Verurteilte inhaftiert. Vielen von ihnen wurde hier das Todesurteil verlesen, danach durften sie nur mit einer einzigen Person sprechen: mit dem Seelsorger. Franz Loidl, katholischer Priester, wurde von 1941 bis 1945 hierher gebeten, um den Verurteilten - egal, ob Kommunisten, Atheisten, oder Gläubigen - die letzte Beichte abzunehmen. Vor der Kaserne wird aus Loidls Erinnerungen vorgelesen: Von der Angst, dass ihm die regimekritischen Gespräche im verwanzten Beichtraum zum Verhängnis werden könnten. Und von der Selbstverständlichkeit, mit der er unterm Talar Speck, Brot und Briefe von den Angehörigen in die Todeszellen schmuggelte.

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Ums Eck, in der Hardtmuthgasse 42, befand sich „die Zentrale" der Wehrmachts-Untersuchungshaft, welche die Verdächtigen in auf weitere Bezirks-Gefängnisse verteilte. Weitere lokale U-Gefängnisse gab es in den Wiener Bezirken. Während andere Kapitel der NS-Verbrechensgeschichte besser aufgearbeitet sind, mangle  es bei den Verbrechen der Militärjustiz noch an Wissen, aber auch an Unrechtsbewusstsein, kritisiert die AK Denkmalpflege.

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Der Stadtspaziergang führt zu Orten, die selbst nichts erzählen: Bis auf wenige Ausnahmen, wie etwa hier am Landesgericht, gibt es keine Gedenktafeln.  Wer als „Fahnenflüchtling" von den Nazis verurteilt wurde, galt auch rechtlich lange Zeit nicht als Opfer. Erst 2005 wurden die Nazi-Urteile für nichtig und die Betroffenen zu Opfern erklärt.

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Das Wiener Landesgericht: Zwar erinnert die Gedenktafel an „mehr als tausend Frauen und Männer", die hier nach kurzem Prozess enthauptet wurden. Wie viele davon DeserteurInnen waren, ist jedoch unbekannt. Dass es im ehemaligen Hinrichtungsraum eine Gedenkstätte gibt, weiß kaum jemand. Zu besichtigen ist er auch nur nach Voranmeldung.

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Über Freiheit und Haft, Ehre und Ehrverlust, Tod und Leben wurde im ersten Bezirk entschieden. Im Feldkriegsgericht in der Hohenstaufengasse 3 saßen berüchtigte Militärrichter, die Urteile wegen „Hochverrat", „Heimtücke" oder „Wehrkraftzersetzung" verlasen. Schwammige Begriffe, welche die Ankläger mit konkreten Bedrohungsszenarien auszufüllen wussten: Vor allem auf „Selbstverstümmelung" hatten sie es abgesehen. Wer sich im Heimaturlaub Bänderriss, Bindehautentzündung oder Beinbruch zuzog, galt als hochgradig verdächtig - mitsamt den vermeintlich „beihelfenden" oder „mitwissenden" Angehörigen.

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Heute residiert hier eine Sektion des Bundeskanzleramts.

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Die Kugelfanggasse in Floridsdorf erinnert daran, dass ein Teil des heutigen Donauparks früher Militärschießplatz war. Die Nazis nutzten ihn jedoch hauptsächlich als Exekutionsstätte. Sogenannte Hochverräter, aber auch Soldaten, die beim Diebstahl erwischt worden waren, wurden hier erschossen. Wie viele es genau waren, ist unklar. Noch im Februar 1945 wurden 14 Wiener wegen „Selbstverstümmelung" hingerichtet - und hunderte Soldaten mussten der „Abschreckungsmaßnahme" zuschauen.

Dass Ernesto Che Guevara im Donaupark ein Denkmal hat, wissen die meisten. Das etwas versteckt gelegene Mahnmal für die „Freiheitskämpfer" gegen das NS-Regime ist weniger bekannt.  Jedes Jahr findet hier eine kleine Gedenkfeier statt - die nächste am 11. Oktober 2009.

Weitere Stationen der Spaziergänge - je nach Gestaltung - sind der Wiener Zentralfriedhof, die Rossauer Kaserne, die Feuerwehrwache am Hof. Die Touren werden zu Fuß (in der Innenstadt) und per Fahrrad (auch zu dezentraleren Orten) angeboten. Der nächste Termin ist am 9. August um 15 Uhr. Infos auf der Website der AK Denkmalpflege und per E-Mail an denkmalpflege@gmx.at. (mas, derStandard.at, 7.7.2009)

 

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