Martin Wishart: Gazpacho und Hering

Foto: Katharina Schell

Martin Wishart: Gansleber

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Dessert bei Martin Wishart

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Tom Kitchin: Messermuscheln

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Tom Kitchin: Krabbe

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Tom Kitchin: Schokosoufflee

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Wenn man in dem Bewusstsein Essen geht, dass dieser Abend wirklich teuer werden könnte, ist ja eigentlich der nötige Ernst geboten. Leider ist unsereins manchmal einfach pubertär drauf wie damals, als man Monty Python entdeckte. Wo französische Kellner durch Restaurants säuselten, mit einem unnachahmlichen Accent: "Alors, ´ere we ´ave le mutton önd le beef..." Dumme Klischees.

Französische Servierkörper

Aber es scheint, als stünden die Engländer immer noch darauf. Oder, pardon: die Schotten. Und ihre Spitzengastronomie. Denn wir schreiben das Jahr 2009, sind mitnichten pubertär (sondern nur albern) und befinden uns in Edinburgh, konkret: im Hafen davor namens Leith. Dort tummeln sich die Sternerestaurants. Zwei haben wir ausprobiert, und keins davon kam ohne comme ci comme ca, sprich französische Servierkörper, aus. Was dem Service nicht zum Nachteil gereichte, soll hier gleich betont werden.

Nummer eins in der Sterneparade: Martin Wishart. Seit 1999 hält er Hof in Leith, 2001 gab's den Michelin-Stern, mittlerweile hat er eine Dependance in den Highlands eröffnet. Wir begnügen uns mit dem Stammhaus: Das ist zweifelsohne schick, beige und braun, wir passen farblich, denn mit dem Dresscode ist das so eine Sache in Großbritannien. Platz genommen, Degustationsmenü bestellt, mit dem Kellner verhandelt - nein, noch kein Franzose: ein Deutscher, dessen Entzücken, mit uns in seiner Muttersprache parlieren zu können, nur davon übertroffen wird, dass am Nebentisch echte Deutsche sitzen.

Palettentrinken

Flugs bestellen wir beim französischen (aha!) Sommelier die Weinbegleitung. Die stellt sich leider als suboptimal heraus, auch wenn er die Weine überzeugend anpreist - "verü nice on the palette" - er sprach viel von der Palette, erst später dämmerte: Er meint den Gaumen. Und schon kommt der Gruß aus der Küche mit Gazpacho und Hering und paniertem Fischzeugs, nett, weiter so! Es folgen Schnecke mit Petersilienmousse und einer Langustine, mittleres war sehr grün und sehr intensiv. Dann die Foie Gras mit dünnen Schichten vom Hochlandrind drin, dazu eine Krenrolle in roter Rübe.

Die Palette wird in der Folge mit Heilbutt, Koriander & Passionsfrucht versorgt, mit Lachs mit Gurken, und als Hauptgang kommt Huhn mit Lauch und Linsen (was wir dann doch ein wenig mickrig fanden). Das deutsche Genießerpaar daneben talkt small, erzählt von Orkney-Schafen, die nur Seetang zu fressen kriegen (mehr davon demnächst) und ist ansonsten schwer zu beeindrucken: "Stinknormaler Eischaum mit Kokos drin", tönt es zum Dessert von nebenan. Haben wir auch, genauer gesagt Ananas mit Kokosrahm, dazu aber eine Schoko-Variation, die sich schon sehen und schmecken lassen kann. Allerdings: Wo sie recht haben, haben sie recht, die Deutschen.

Um einige Pfünder leichter und schwerer zugleich besteigen wir den Bus Richtung B&B. Früh schlafengehen, weil: Am nächsten Tag ist Tom Kitchin dran.

Jung, wild, rot, gut

Der junge Wilde logiert bei Herrn Wishart ums Eck, hat auch einen Stern und sein Lokal in Schwarz eingerichtet. Wieder passen wir farblich, das mit dem Outfit klappt ganz hervorragend. Der Maitre begrüßt uns in formvollendeten Franzmann-Akzent, was blödes Kichern meinerseits zeitigt, aber wirklich: Schon wieder ein Franzose! Nicht der einzige, und alle kümmern sie sich rührend um uns, mit abgespreizten kleinen Fingern. Der rotschnecklerte Tom steht in der Küche, sehen wir durch eine Glasscheibe. Angeblich schreit er ja manchmal mit seinem Team, aber diesmal ist er ganz sonnig und schickt eine Köstlichkeit nach der anderen an unseren Tisch.

Eine Gazpacho auch hier als Gaumenkitzel, gefolgt von einer sensationellen Krabbe und Messermuscheln. Dann gibt's Schnecke und Frosch, was das ökologisch korrekte Herz kurz stolpern lässt. Muss auch nicht sein, so ein Froschhaxerl, obwohl Kitchin das sehr gschmackig zubereitet. Es folgen Seeforelle und ein ordentliches Hauptgericht, nämlich Lamm mit Nierndln und roten Zwiebeln. Beim Käse sind die Franzosen auch in der Überzahl, das Schokosoufflee zur Nachspeis ist üppig portioniert, und leicht illuminiert sind wir auch, weil so ein paar Flaschen Wein doch mehr hergeben als die Weinbegleitung nebenan.

Kein Komasaufen

Diesmal fehlen auch die abgebrühten Deutschen am Nebentisch, vielmehr betrinkt sich ein junger Schotten-Yuppie mehr oder weniger stilvoll, was sein Date im Laufe des Abends zunehmend an Haltung verlieren lässt. Smalltalk ergibt sich da keiner - schade eigentlich, es wäre wegen der sozialen Studien gewesen. Die führen wir im Pub nebenan durch, wo - obwohl Freitagabend! - seltsamerweise kein Komasaufen angesagt ist.

Der direkte Vergleich zeigt: Sowohl nach Herrn Wishart als auch nach Herrn Kitchin ist noch Platz für ein Ale. Weder der eine noch der andere servieren nach dem Essen Schnaps, ein Manko, das im Pub mit Whisky ausgebügelt werden muss. Wishart macht auf edel, Kitchin auf Yuppie, ersterer ist teuer und gediegen, zweiterer teuer und aufregend. Muss man in Edinburgh in Sterneschuppen gehen? Nicht unbedingt, aber die beiden servieren die erstklassigen Rohstoffe ihres Landes (und damit ist jetzt Schottland gemeint) in erstklassiger Qualität. Das macht schon Spaß in einem Land, in dem Jakobsmuschel und Lammfleisch fließen.

Die Highlands warten

Dass es auch ein bisschen weniger krampfig-urban zugehen kann, wird demnächst an dieser Stelle geschildert. Dann allerdings ohne Franzosen. Bis in die westlichen Highlands wollen die nämlich nicht fahren. Vorteil: Unsereins kichert nicht blöde, weil uns jemand an die Palette will. Bleiben Sie dran.