Ein Outfit, das nach Anerkennung schreit: Brüno alias Sacha Baron Cohen versucht im gleichnamigen Film, in Amerika Fuß zu fassen.

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Wien - Erfolg ist eine unberechenbare Größe. Wem es allerdings gelingt, über einen längeren Zeitraum mit lauten, grellen und geschmacklosen Auftritten aufzufallen, dem ist zumindest die Aufmerksamkeit der Medien sicher. Brüno, ein Übertreibungskünstler des globalen Entertainments, ist dafür ein ausgezeichnetes Beispiel: Als Ex-Model und Host einer Fashion-Sendung aus Österreich - in Wahrheit die jüngste Inkarnation des britischen Komikers Sacha Baron Cohen - agiert er genau an der Schnittstelle, an der die Unterschiede zwischen Künstlichkeit und realen Verwerfungen verschwindend klein werden.

In Medienguerilla-Manier nimmt er sich bestimmter TV-Formate an, um sie maßlos zu übersteigern, und zeigt gerade dadurch ihre innere Leere auf. Im nunmehrigen Langfilm Brüno - wie der kasachische Extremreporter Borat ist auch Brüno eine Figur, die aus Cohens Da Ali G Show stammt - geht das etwa so: Bekannte Hollywoodgrößen wie die Pop-Sängerinnen Paula Abdul oder La Toya Jackson - Letztere wurde aus Pietätsgründen wieder aus dem Film entfernt - werden zu einer Fake-Show geladen, bei der sie auf dem Rücken eines mexikanischen Arbeiters sitzend Fragen beantworten müssen. Eine Konstellation, bei der die Gäste nur verlieren können.

Noch vor Brünos ostentativ zur Schau gestellter Homosexualität ist dies wohl der subversive Kern der Figur: die Art und Weise, wie er seine Gäste dazu bringt, selbst die dümmsten Fragen noch mit einer gewissen Ernsthaftigkeit zu beantworten. Niemand will sich vor laufender Kamera als Spielverderber erweisen. Cohens Team hat ein ausgeklügeltes System entwickelt, um Prominente zum Mitspielen zu bewegen. Seriöse Briefe, auf denen Fake-Internetseiten auf den Hintergrund der Show verweisen, legen den Köder aus. Bevor die Aufzeichnung beginnt, entschuldigen sich die Produzenten für den Moderator, verweisen aber auf die hohe Quote, die er daheim bringt.

Für den Film Brüno, wie Borat unter der Regie von Larry Charles gedreht, dürfte sich dieses Vorgehen weiter kompliziert haben. Cohens Popularität ist mittlerweile wohl einfach zu groß, denn etlichen Szenen fehlt der dokumentarisch-anarchische Überraschungsgeist früherer Auftritte. Am Beginn steht die fiktive Kündigung des Moderators, nachdem er in Mailand als lebender Kleiderständer auf den Laufsteg getorkelt ist. Maßlos in seiner Selbstüberschätzung ist er nicht lange enttäuscht, sondern bricht nach Amerika auf, um der "nach Hitler berühmteste österreichische Superstar" zu werden.

Maximale Ambitionen

Brüno entwickelt sich in der Folge zur satirischen Nummernrevue durch die Untiefen des US-Entertainment-Betriebs. Gemeinsam mit dem ihm verfallenen Assistenten Lutz (der Schwede Lutz Hammarsten) sucht er den Ruhm zunächst auf traditionellen Wegen, indem er eine eigene Show auf die Beine stellen will. Doch wenn er nicht schon daran scheitert, dass bei ihm maximale Ambition auf minimales Talent trifft, dann erregen seine kaum verborgenen sexuellen Vorlieben im prüden Amerika Unmut.

Natürlich erweitert Cohen in dieser Hinsicht wieder einmal die Skala dessen, was bisher unter "Bad Taste" firmierte. Die Dildo-Maschine, die ihn wie ein treuer Hund überallhin folgt, ist da noch am harmlosesten. Brüno lässt sich Haare in Intimzonen epilieren, er hat mit einem verstorbenen Milli-Vanilli-Mitglied pantomimisch Oralverkehr oder windet sich verloren im Swinger-Club.

Wenn sich in Amerika Homosexuellenverbände darüber echauffieren, verfehlen sie jedoch auf ähnliche Weise Cohens Humor wie die Anti-Defamation-League, die sich über Borats vorgetäuschten Antisemitismus besorgt zeigte. Cohen arbeitet stets auf offensive Weise mit Stereotypen. Der kasachische Reporter mit dem einseitigen Weltbild war dennoch die ergiebigere Figur, weil er eine Form des Einverständnisses mit seinem Gegenüber zuließ. Mit dem rückständigen Fremden ließ es sich ungenierter über die eigenen Vorurteile sprechen. Brünos Homosexualität erschöpft sich dagegen recht bald in Gesten der Provokation, die irgendwann alle ein wenig ähnlich ausgehen. Er ist nicht nur weniger komisch, sondern auch weniger relevant.

Erst als Brüno als äußerten Schritt seines Karriereplans sich seine Homosexualität von einem Priester austreiben lassen will - und sich dabei als ziemlich resistent erweist - , entlarvt er die unheimlicheren Seiten der Homophobie. Davor soll ihm schon eine Nahost-Reise mehr politisches Profil zu verleihen - beziehungsweise vergleichbare humanitäre Aktivitäten von Stars persiflieren. Die Szene, in der er am israelisch-palästinensischen Verhandlungstisch über den Unterschied zwischen Hamas und Hummus debattiert und anschließend ein Friedenslied anstimmt, gehört gewiss zu den komischsten des Films.

Jüdischer Humor

Dies sind auch jene Momente, in denen Cohens eigene jüdische Wurzeln durchscheinen, die in die aufklärerische Stoßrichtung seines Humors hineinragen. Sie mögen auch der Grund sein, warum er den dümmlichen Mode-Experten mit einer österreichischen Herkunft versehen hat. Sie spielt im Film zwar kein allzu prominente Rolle, erlaubt es aber, ein konsonantenreiches Kauderwelsch zu sprechen, in das sich auch immer wieder kleine Seitenhiebe auf die Nazi-Vergangenheit des Landes verstecken - und sei es nur, dass er von einem bestimmten Körperteil als seinem Arschwitz spricht. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 06.07.2009)