Das steirische Sicherheitsgesetz soll organisiertes Betteln verbieten. Was "organisiert" ist, sehen VP und SP unterschiedlich.

Graz/Wien - Wieder einmal lösen bettelnde Menschen in der Grazer Innenstadt hitzige Debatten im Rathaus und im steirischen Landtag aus. In den letzten Wochen wurde das Thema - ein Jahr vor den nächsten steirischen Landtagswahlen - von ÖVP, FPÖ und BZÖ neu angeheizt. VP-Bürgermeister Siegfried Nagl, der - aus Sorge um die Bettler, wie er betont - ein Bettelverbot für behinderte und kranke Menschen forderte, hat allerdings kein Glück mit seinen Koalitionspartnern, den Grünen. "Mit uns sicher nicht", sagt Grünen-Vizebürgermeisterin zum Standard, "das Nein zum Bettelverbot steht in unserem Koalitionsabkommen. Außerdem haben auch schon Behindertenorganisationen sich gegen ein solches diskriminierendes Verbot ausgesprochen".

Rücker verteidigt den Bürgermeister aber auch. Denn auch sie glaube, "dass man sich die Situation der neuen Bettler in Graz genau ansehen sollte. Wenn es hier Fälle von Menschenhandel und Nötigung gibt, muss dagegen natürlich vorgegangen werden, aber dafür reichen die bestehenden rechtlichen Grundlagen aus." Nagl verweigert derzeit jede Aussage gegenüber Medien zu dem Thema.

In Graz betteln seit Jahren rund 50 Roma aus dem slowakischen Hostice, um die sich die Vinzenzgemeinschaft von "Armenpfarrer" Wolfgang Pucher kümmert. Sie lebten in ihrer Heimat in Armut und wurden fast in allen Lebensbereichen wie etwa Bildung oder medizinische Versorgung diskriminiert. Anders als in anderen österreichischen Städten begann man von Graz aus, auch den Menschen in deren Heimat zu helfen. Eine Teigwarenmanufaktur wurde aufgebaut, in der Roma in Hostice selbst Nudeln herstellen und über steirische Spar-Märkte und die Vinzenzgemeinschaft verkaufen.

Pfarrer besorgt

Seit einigen Monaten gibt es neue Bettler in der Stadt, die oft schwerste Behinderungen haben. Dass sie alle freiwillig in Graz betteln, bezweifelt Hermann Glettler, Pfarrer der St. Andrä Kirche, wo sich die von Priesterkollegen Pucher betreuten "alteingesessenen" Roma immer treffen: "Die neuen dürften aus Rumänien oder Bulgarien sein, aber sie kommen nicht zu uns in die Pfarre", sagt Glettler dem Standard.

Angesichts des Grades der Behinderungen dieser Menschen, die meist kein Deutsch sprechen, sorgt sich der Pfarrer sogar, ob ihnen diese "absichtlich in der Kindheit zugefügt wurden".

Ein Falter-Bericht über eine Rumänin, die behauptet, als Kind verkauft und zum Betteln gezwungen worden zu sein, könnte diese Befürchtungen nun verstärken. Der Polizeikommandant, Kurt Kemeter, versucht im Fall der Frau, die monatelang unweit eines Wachzimmers und des Rathauses saß, zu kalmieren, (siehe Interview unten). Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Am Dienstag wird Betteln auch den steirischen Landtag beschäftigen. ÖVP und SPÖ bringen Anträge zur Verschärfung des Landessicherheitsgesetzes ein. Der große Unterschied zwischen den beiden Anträge: Die SPÖ will, dass Drahtzieher, die andere zum Betteln zwingen, abgestraft werden, die ÖVP will auch, dass die "organisierten" Bettler selbst mit einer Verwaltungsstrafe bedacht werden. Das steirische Landessicherheitsgesetz verbietet seit 2005 Betteln "in aufdringlicher Weise" und Betteln von Unmündigen. Einen gleichlautenden Paragraphen gegen das Betteln von Kindern gibt es seit 2008 auch ihn Wien. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD Print-Ausgabe, 4./5.7.2009)