Wien - Die Wiener Albertina ist, so scheint es zehn Tage nach dem Wassereintritt in das Zentraldepot, mit einem blauen Auge davon gekommen. Eine Katastrophe wurde durch ursprünglich gar nicht vorgesehene Blechdächer verhindert, die Evakuierung geht langsam, aber sicher vonstatten, die Ursachenforschung ist im Laufen. "Blech sei Dank!" titelte daher die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am Freitag - aber nicht, ohne die Frage nach der Verantwortung für den Scherbenhaufen zu stellen. Diese wollten bisher weder das Museum noch der Bauherr oder die Baufirmen übernehmen. Und selbst die Frage, wer denn nun die Blechdächer montieren ließ, konnte am Freitag nicht mehr mit Sicherheit beantwortet werden.

"Dass Wasser nie ein Thema war, ist vollkommener Blödsinn"

Direktor Klaus Albrecht Schröder hatte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz von einem "modernen Gottesbeweis" gesprochen und den Facility Manager Robert Myslik als Helden präsentiert. Myslik habe das Blech über den Regalen angebracht, so dass das eindringende Wasser abgeleitet wurde. Dabei habe man selbst im Haus nie mit einem Wassereinbruch gerechnet. "Dass Wasser nie ein Thema war, ist vollkommener Blödsinn", konterte am Freitag der damalige Vize-Chef Alfred Weidinger in der "Wiener Zeitung". Eben weil Wasser ein Thema gewesen sei, habe er zusätzliche Schutzdächer, ein Feuchtigkeitsmeldesystem und eine Wasserpumpe installieren lassen, hatte Weidinger bereits im gestrigen "Standard" angegeben.

Dass Myslik nun als Held gefeiert wird, befremdet Weidinger. "Der war damals Nachtportier und hätte das alleine gar nicht gemacht." Es gebe aber Dokumente, widerspricht Schröder in der "Wiener Zeitung", die "eindeutig belegen, dass Herr Myslik die Blechdächer bestellt hat." Wenn Weidinger auch einer der Helden der Stunde sein wolle, habe er nichts dagegen, setzt Schröder spitz nach. "Aber warum hat er dann beim Blech nicht gleich Regenrinnen installiert - denn so hat das Wasser die Stromversorgung lahmgelegt." Einig scheinen sich Schröder und Weidinger nur bei einer Sache zu sein: Wenn auch ein "Armutszeugnis", so treffe doch beide auf keinen Fall die Verantwortung für das Geschehene.

Bauherr lehnt "jegliche Schuldzuweisung" ab

Auch der Bauherr, die im Wirtschaftsministerium angesiedelte Burghauptmannschaft, lehnte am Donnerstag "jegliche Schuldzuweisung" ab. "Beim Bauen kann es immer irgendwelche Fehler geben, ich kann mir nichts vorwerfen", meinte Burghauptmann Wolfgang Beer. "Die Decke war doch einige Jahre dicht" und habe wesentlich schwerere Niederschläge überstanden. Die beteiligte Baufirma PORR AG legte am Freitag ebenfalls auf die Feststellung wert, nichts mit der Sache zu tun zu haben. Man habe bereits 2001 die Bauarbeiten am Tiefspeicher abgeschlossen. In den folgenden Jahren sei es zu "weiteren Ein- und Umbaumaßnahmen" gekommen, in die man aber nicht involviert gewesen sei.

Tatsächlich ließ die Bauverwaltung offenbar in die laut Burghauptmann Beer "autobombensichere Decke" vier Einlassöffnungen in die Decke schneiden, um die Speicher-Roboter nach Schweizer Vorbild zu implantieren. Ob es hierbei zu schleißigen Abdichtungen kam, wird derzeit geprüft. Vorerst sind alle Beteiligten froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Vor allem Schröder ist wieder sehr gefasst: Auch wenn etwas passiert wäre, hätte er "nicht die Verantwortung für Bauherren, Baufirma, Fachplaner oder Architekten gehabt", sagte er im ORF. "Aber ich hätte sehr schwer damit umgehen können, dass ich die Sicherheit der Kunst zu verantworten habe und dass sie jedenfalls unter meiner Direktion nicht gewährleistet gewesen wäre."

Mögliche Konsequenzen

"Nun werden der Albertina ein paar leicht gewellte Blätter bleiben und das Gefühl, dass es, trotz Schweizer System, schnell aus sein kann", fasste der deutsche "Tagesspiegel" am Freitag in einem lakonischen Artikel zusammen. Und die Gefahr der Schimmelbildung ist ja noch lange nicht erledigt. Im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum sorgte vor vier Jahren nur ein kleiner Defekt in der Klimaanlage für rund 200 verschimmelte Objekte, darunter etwa 50 barocke Gemälde. "Wir haben heute noch mit den Auswirkungen zu kämpfen", sagt Direktor Wolfgang Meighörner. Und damals fühlte sich offenbar auch jemand verantwortlich: Als Konsequenz trat der gesamte Vorstand des Museums zurück. (APA)