Phnom Penh - Einer der wenigen Überlebenden der Folterstätte Toul Sleng, genannt S21, in Kambodscha hat vor Gericht die unmenschlichen Methoden des Regimes der Roten Khmer beschrieben. Bou Meng sagte am Mittwoch vor dem Völkermordgericht bei Phnom Penh gegen Kaing Guek Eav alias Deuch (Duch/sprich: Doik) aus.

Der 66-jährige Deuch hatte damals das Gefängnis Toul Sleng geleitet. Er ist wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Bou Meng beschuldigte Deuch, die Folter direkt angeordnet zu haben. Seine Frau wurde im Gefängnis S21 ermordet. Insgesamt kamen dort zwischen 1975 und 1979 mehr als 12.000 Menschen ums Leben.

Tägliche Elektroschocks

"Sie haben mich jeden Tag geschlagen und mit Elektroschocks traktiert", sagte Bou Meng (68). An anderen Tagen wurde ihm Wasser ins Gesicht geschüttet, bis er das Bewusstsein verlor. Er entkam, weil er - wie der Überlebende Vann Nath - Porträts malen konnte. Ein anderer von nur einer Handvoll Überlebender entkam der Hinrichtung, weil er Mechaniker war und Maschinen reparieren konnte.

Die Roten Khmer lockten Bou Meng und seine Frau mit dem Versprechen nach Phnom Penh, sie könnten an einem Kunstcollege unterrichten. Stattdessen wurden sie nach Toul Sleng gebracht. Ein Foto, das damals gemacht wurde, "ist das einzige, das mir von meiner Frau geblieben ist", sagte er. Die beiden wurden der Spionage für die Geheimdienste der USA und Russlands bezichtigt. "Sie haben immer wieder nach KGB und CIA gefragt, aber ich wusste gar nicht, was das ist."

Deuch ist der erste Angeklagte, dem wegen der Gräueltaten der Roten Khmer der Prozess gemacht wird. Er hat seine Schuld eingeräumt, doch wollen seine Verteidiger beweisen, dass er nur Befehle ausführte. Vier weitere Angeklagte sind in Haft. Sie waren Mitglieder der Führungsriege des Regimes, bestreiten aber jede Verantwortung.

Die ultra-maoistischen Roten Khmer verwandelten Kambodscha nach ihrer Machtergreifung 1975 in ein gigantisches Zwangsarbeitslager, in dem sie nach ihrer Ideologie die traditionelle Gesellschaft auslöschen und beim "Jahr null" neu anfangen wollten. Alle Freiheiten wurden abgeschafft. Mindestens 1,7 Millionen Menschen, nach Schätzungen aber bis zu zwei Millionen, verhungerten, starben an Krankheiten oder wurden exekutiert. Nahezu alle Familien im Land haben Angehörige auf den sogenannten "Killing fields" der Roten Khmer verloren. Deren "Bruder Nummer eins", der berüchtigte Pol Pot starb 1998, nach dem die Steinzeitkommunisten bereits 1979 mit Hilfe vietnamesischer Truppen von der Macht vertrieben worden waren.

Die Gewaltorgien der Roten Khmer blieben 30 Jahre ungesühnt, weil das Land nach der Befreiung erst in einen Bürgerkrieg verfiel und später jahrelang Spielball der Mächte des Kalten Krieges wurde. Das Sondergericht wurde erst nach jahrelangem politischen Gerangel zwischen der kambodschanischen Regierung und den Vereinten Nationen als gemeinsames Tribunal mit nationalen und internationalen Richtern eingerichtet. Menschenrechtler werfen der Regierung Einflussnahme auf die kambodschanischen Juristen vor. (APA/dpa)