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Unternehmen "Bergkristall" bedeutete für zigtausende KZ-Häftlinge den Tod. Mit Kriegsende zog unter Tage eine Champignon-Zucht ein, über Tage baute man auf dem einstigen Lagergelände Wohnhäuser. Im KZ Gusen waren zeitweise mehr Menschen inhaftiert als in Mauthausen

Foto: APA/HELGA LOIDOLD

St. Georgen - Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass sich hier einmal das größte NS-Bauwerk Österreichs befand. Ein von Schlaglöchern durchsetzter Güterweg führt über ein großes Weizenfeld, vorbei an einem kleinen Bauernhaus. Der Weg endet vor einem Hügel, ein schmuckes Holztor ziert dessen Frontseite. Für zigtausende Menschen war es während der NS-Herrschaft das Tor zur Hölle. Unter dem Decknamen "Bergkristall" mussten Häftlingen der beiden angrenzenden KZ-Lager Gusen I und Gusen II in nur 13 Monaten Bauzeit ein unterirdisches Flugzeugwerk für die Großserienproduktion von Messerschmitt-Me-262-Düsenjagdflugzeugen errichten. Über 10.000 Menschen starben dabei.

7,5 Kilometer-Stollen

Im Inneren der Stollen schafft die Mischung aus düsterer Beleuchtung, feuchtkaltem Klima und dem Wissen über die Vergangenheit ein Gefühl der Beklemmung. Nach nur wenigen Gehminuten ins Berginnere steigert ein durchdringendes Winseln das Unbehagen. Es sind die Gesteinsbohrer, die sich derzeit ihren Weg durch die sandigen Decken der Stollen bahnen. Und es ist der Grund, warum derzeit die Wogen in dem kleinen Ort St. Georgen an der Gusen hochgehen. Die Bundesimmobilien-Gesellschaft BIG führt als Besitzerin seit Jahren Sicherungsarbeiten durch. Aktuell wurde vor wenigen Wochen wieder damit begonnen, große Teile der Stollen mit Beton zu verfüllen. Nach Abschluss der Arbeiten werden so von den ursprünglich 7,5 Kilometern nur mehr zwei begehbar sein. Für das "Gedenkkomitee St. Georgen" eine "Katastrophe.

Bürgerversammlung mit aufgebrachten Bewohnern

Um die Wogen zu glätten, luden Gemeinde und BIG Mittwochvormittag zu einer Pressekonferenz. Diese wandelte sich aber rasch zu einer Bürgerversammlung mit aufgebrachten Bewohnern und Vertretern des Gedenkkomitees auf der einen, und BIG-Repräsentanten auf der anderen Seite.

Eigentümer-Suche 

Gefordert wurden bei der hitzigen Debatte im Gemeindeamt vom Gedenkkomitee letztlich zwei Dinge: ein sofortiger Baustopp in den Stollen sowie die Errichtung einer entsprechenden Gedenkstätte am ehemaligen Lagergelände. "Seit zehn Jahren ignoriert das Innenministerium unsere Bitte - es ist eine Schande. Für die Gedenkstätte Mauthausen hat die Regierung 200 Millionen Euro lockergemacht. In St. Georgen reicht offenbar die Billigvariante, und man pumpt um vier Millionen Euro Beton in die Stollen", kritisiert Gedenk-Vorstand Rudolf Haunschmied. Jede Minute, die die Betonpumpe arbeite, sei verloren. "Jeder Meter ist ein Toter, viele liegen heute noch dort unten", sagt Haunschmied.

Vonseiten der BIG betont man, nicht für eine Gedenkstätten-Errichtung zuständig zu sein. Und man will sich offensichtlich rasch von dem Bauwerk trennen. Sollte sich ein Interessent finden, sei man sofort bereit, "die Anlage ohne Gegenleistung abzugeben", sagte BIG-Sprecher Ernst Eichinger. (
Markus Rohrhofer, DER STANDARD Printausgabe 2.7.2009)